Suzukis Rache von Kotaro Isaka


Abwechslungsreich erzählter Auftragsmörder-Thriller mit Mystery-Elementen und schwachem Schluss

 

Inhalt: Suzuki, der Mathematik Lehrer an einer Mittelschule gewesen ist, hat vor zwei Jahren seine Frau verloren, als sie von einem Auto angefahren worden ist. Seitdem sinnt er auf Rache. Nun verhökert er schon einen Monat lang Diätprodukte an junge Frauen, die er im Auftrag der Agentur in Einkaufspassagen anspricht. Dabei wartet er nur auf eine Gelegenheit nah genug an den Sohn seines Chefs Terahara heranzukommen, weil dieser der Mörder seiner Frau ist. Doch dann wird er von der Agentur gezwungen ein junges Pärchen zu betäuben und zu entführen. Denn Suzuki soll das ihm entgegengebrachte Misstrauen entkräften, indem er die beiden tötet und so zum vollwertigen Mitglied der Organisation aufsteigt.

 

Ungewöhnliches Trio an Hauptfiguren
Kotaro Isaka erzählt seinen Thriller abwechslungsreich aus verschiedenen Perspektiven. Dazu zählt neben der Sichtweise von dem auf Rache sinnenden Mathematik Lehrer Suzuki auch die Sicht der Auftragsmörder, die sich der Wal bzw. die Zikade nennen. Diese wechseln reihum, also von Suzuki zum Wal zur Zikade und wieder zurück zu Suzuki.
Der Wal, der bereits lange im Geschäft ist, hat die perfide Weise, auf die die Opfer seiner Aufträge ihren Tod finden, perfektioniert. Der Wal, der quasi schon alles gesehen und erlebt hat, führt seine Morde routiniert aus, obgleich er sich dabei deren moralischer Komponente durchaus bewusst ist. So ist ihm etwa aufgefallen, dass seiner bisherigen Erfahrung nach Politiker nur wegen Geld oder Prestige töten lassen, ohne danach das mindeste Anzeichen von Reue zu zeigen. Sein zynischer Blick auf die mit ihm interagierenden Menschen wird nur von der Lektüre eines einzigen Romans unterbrochen, den er wieder und wieder liest, um sich in dessen Sätzen zu verlieren. Doch in jüngster Vergangenheit wird die Realität immer häufiger von den Geistern der von ihm Ermordeten verdrängt, von denen er heimgesucht wird.
Auch Suzuki hat mit einem moralischen Zwiespalt zu kämpfen. Denn um den Tod seiner Frau zu rächen, hat er naive Mädchen in die Sucht getrieben, indem er ihnen als Diätprodukte getarnte Drogen angedreht hat. Zudem riskiert er das Leben des zu Beginn dieses Thrillers entführten jungen Pärchens, für das er sich verantwortlich fühlt. Denn das erinnert ihn an seine ehemaligen Schüler, die ihm dafür dankbar gewesen sind, dass er sie nicht aufgegeben hat. Suzuki belastet es, wenn Unschuldige im Zuge seiner Rache zu Schaden kommen, auf die er aber nicht verzichten kann, da sie seit Jahren sein Leben beherrscht. Im Vergleich zum Wal und zu Suzuki ist die wenig ambivalent beschriebene Zikade die schwächste Figur. Die Zikade, die darauf spezialisiert ist ganze Familien auszulöschen, tötet ohne Zögern Frauen und Kinder, wenn er die Auftragsmorde ausführt, die andere ablehnen.

 

Gelungene Charakterisierung skurriler Nebenfiguren
Neben den drei genannten Protagonisten hat Kotaro Isaka mich mit seinen skurrilen Nebenfiguren überzeugt. Dazu gehören etwa Zikades Boss Iwanishi, der für jede Lebenslage ein Zitat seines Idols Jack Crispin parat hat, oder der Obdachlose Tanaka, der dem Wal zumindest den Ansatz einer Erklärung für seinen Realitätsverlust liefert. Die schrägen Charaktere werden von ungewöhnlichen Themen ergänzt, die sich fast Leitmotiv-artig durch den weiteren Verlauf dieses Thrillers ziehen. Damit ist beispielsweise das wiederholte Auftreten von Insekten gemeint, das meist nicht im Zusammenhang mit Zikade steht.
Das Spannungslevel war zu Beginn dieses Thrillers hoch, als schon das erste Suzuki Kapitel mit einem Paukenschlag endete, den ich so nicht habe kommen sehen. Auch die Erzählweise aus unterschiedlichen Perspektiven, bei der die zynisch düstere Lebensphilosophie des Wals auf den politisch inkorrekten, nach allen Seiten austeilenden Humor der Zikade traf, konnte mich in den unerwarteten Wendungen, in denen die verschiedenen Handlungsstränge aufeinandertrafen, überraschen.

 

Kritikpunkte am Spannungsaufbau und Verbesserungvorschläge
Nach dem starken Einstieg hat Kotaro Isaka das jedoch nicht vermocht, die Spannungskurve auf diesem hohen Niveau zu halten. Obwohl Suzukis Ringen mit seinem inneren moralischen Kompass nachvollziehbar geschildert wird, hatten gerade seine Kapitel im Mittelteil dieses Thrillers ihre Längen für mich. Der Spannung hätte gut getan, wenn diese kürzer ausgefallen wären, da sich Suzukis Gedankengänge ab einem gewissen Punkt im Kreis gedreht haben, als der Autor diesen keine neue Komponente mehr hinzuzufügen hatte.
Als gelungener hätte ich empfunden, wenn der Autor die Gelegenheit genutzt hätte statt seine Handlung in den Suzuki-Kapiteln mehr oder weniger auf der Stelle treten zu lassen seinen Auftragsmörder-Kosmos zu erweitern, indem er zusätzliche Perspektiven eingeführt hätte. Dabei hätten mich neben der Sicht von bereits genannten Nebencharakteren wie Zikades Chef Iwanishi und dem Obdachlosen Tanaka auch die von Terahara, dem Boss der Agentur, seiner Mitarbeiterin Hiyoko und von anderen Auftragsmördern wie dem Pusher oder der Hornisse interessiert.

 

Mein Fazit zum schwachen Schluss
Leider konnte mich auch das Finale von Suzukis Rache nicht überzeugen. Zwar hat Kotaro Isaka, indem er mir einen klassischen, ebenso actiongeladenen wie ausufernden Showdown in übertriebenem Maßstab vorenthalten hat, konsequent die zuvor geschürte Erwartungshaltung unterlaufen. So konnte mich die Auflösung, die ich in dieser Form nicht habe kommen sehen, überraschen. Dabei hätte es jedoch zumindest für mich weiterer Erklärung bedurft. Wer hat etwa den zuletzt aus dem Nichts auftauchenden Wagen gelenkt? Auch hätte ich mir gewünscht, dass der Autor seine Mystery-Elemente konsequenter aufgebaut hätte, indem er diese mit zusätzlichen Begründungen unterlegt hätte. Denn zuvor haben diese abgesehen von einem einzigen Gespräch zwischen dem Wal und Tanaka nur dazu gedient, die Spannungsschrauben in den Zweikämpfen des Wals anzuziehen, indem dieser an sich überlegene Gegner aufgrund seiner durch Wahnvorstellungen bedingten Aussetzer gehandicapt ist.
Zum Schluss habe ich noch zwei kleine Anmerkungen. Bei der Übersetzung hätte ich vorgezogen, dass der aus dem Deutschen übernommene Name der Agentur, in die sich Suzuki eingeschleust hat, korrekt mit Fräulein GmbH/Inc. anstelle von Furoirain GmbH/Inc. wiedergegeben worden wäre. Auch hätten den Kapiteln Zeit- und Ortsangaben gut getan. Denn mir scheint etwa der zeitliche Ablauf im ersten potentiellen Aufeinandertreffen von Wal und Zikade, bei dem sich einer der Beteiligten verspätet hat, in der im Buch vorliegenden Form nicht ganz zu passen.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Herausgeber: Hoffmann und Campe
  • Erscheinungsdatum: 3. April 2023
  • Seitenzahl: 304
  • ISBN-10: 3455015867
  • ISBN-13:  978-3455015867
  • Preis: 24 €