Damsel von Evelyn Skye

 

Ein an ein Märchen erinnernder Fantasy Roman um eine so starke wie ungewöhnliche Heldin

 

Zum Inhalt: Elodie begleitet ihren Vater, Lord Bayford, auf einem Ritt durch Inophe, bei dem er jeden seiner Pächter besucht, um seine Hilfe anzubieten, wenn diese benötigt wird. Denn das Land wird von einer bereits seit Jahrzehnten währenden Dürre geplagt. Da wird unerwartet ein Schiff am Horizont sichtbar, das aus dem Königreich Aurea stammt und mit Lieutenant Ravella als Gesandter an Bord am Hafen anlegt. Erst durch dessen Ankunft erfährt Elodie, dass von ihrem Vater hinter ihrem Rücken eine Verlobung mit Henry, der Prinz in diesem wohlhabenden Reich ist, arrangiert wurde. Denn diese Verbindung könnte durch die seitens Aurea zugesicherte Unterstützung die Not in Inophe lindern und dem vorherrschenden Hunger ein Ende setzen.

 

Aufwendige, detailverliebte Gestaltung durch den dekorativen Farbschnitt und mehr

Der Roman Damsel, der von Evelyn Skye primär aus Sicht von ihrer Hauptfigur Elodie geschildert wird, auch wenn in einzelnen Kapiteln zusätzlich der Blickwinkel anderer Frauen aus Gegenwart wie Vergangenheit mit eingebunden wird, ist in der vorliegenden Ausgabe in passender Weise gestaltet, die die erzählte Geschichte ergänzt. Das beginnt bei dem farbig gehaltenen Buchschnitt, in dem die Farben auf dem Cover aufgegriffen werden, und setzt sich in den verschnörkelt gestalteten Buchstaben eines jeden Kapitelbeginns fort.

 

Zur Charakterisierung von Hauptfigur Elodie

Mit Elodie hat Evelyn Skye eine ungewöhnliche Protagonistin für ihren Roman gefunden, die mir in ihrer speziellen Art aber gleich ans Herz gewachsen ist. Als sie erst zehn Jahre alt war, hat sie ihre Mutter verloren und bemüht sich seitdem, deren Pflichten an der Seite ihres Vaters zu erfüllen. Ein Beispiel dafür ist die Begleitung ihres Vaters auf dessen regelmäßig erfolgenden Rundritten durchs Land. Trotz Lady Lucinda Bayford, ihrer Stiefmutter, ist sie auch in die Mutterrolle für ihre sieben Jahre jüngere Schwester Floria hineingewachsen, die sogar ihre Leidenschaft für Rätsel teilt. So entwirft Elodie gern Irrgärten für Floria, indem sie Freude am Lösen derselben hat.

Elodie setzt sich mit Hingabe für die Belange der Einwohner von Inophe ein, denen sie zu helfen sucht, wo sie nur kann. Dabei ist sie sich nicht zu schade, sich die Hände schmutzig zu machen, wenn sie etwa beim Hausbau unterstützt, indem sie die Latrinen ausgräbt. Da Elodie viele Freiheiten in ihrer Jugend genossen hat, hat sie ihren eigenen Kopf, ist darüber hinaus aber auch eine ausgezeichnete Reiterin, kann hervorragend auf Bäume klettern und anhand der Sterne mit Hilfe eines aus einer Haarnadel improvisierten Sextanten navigieren. Dass sie sich als Tochter des Herzogs bei öffentlichen Anlässen oft unbeholfen verhält, wenn sie durch ihre unbedacht geäußerten Ansichten von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt, hat sie für mich nur umso sympathischer werden lassen.

 

Liegt etwas im Argen im paradiesisch anmutenden Königreich Aurea?

Ein Wermutstropfen an der sonst so schön gestalteten Schmuckausgabe von Damsel ist leider sein Klappentext, der meiner Ansicht nach zu viel verrät. Gerade am ersten Drittel dieses Fantasy Romans, der durch seine märchenhaften Züge überzeugt, hat man meiner Ansicht nach umso mehr Spaß, je weniger man über dessen weiteren Verlauf weiß. Denn wenn die am Ende des Klappentextes enthüllten Informationen nicht bekannt sind, gelingt es Evelyn Skye erstaunlich lange in der Schwebe zu halten, was denn da eigentlich im Königreich Aurea vor sich geht. Als Elodie mit ihrer Familie einen Tag früher als geplant auf dieser einsam gelegenen Insel eintrifft, erwarten sie dort paradiesische Zustände. Von ihrer goldenen Kutsche aus, in der sie vom Hafen zum Schloss fährt, beobachtet sie Felder voller prächtigen Weizen, Bäume mit saftigen Silberbirnen, Ranken von Blutbeeren und kuschelige Schafe mit schwarzen Knopfaugen, die einem Bilderbuch entsprungen zu sein

scheinen. Bereits vor ihrer Hochzeit wird sie von der Königsfamilie mit Prunk und Luxus überhäuft, was in ihrem ganz in gold gehaltenen, im Turm gelegenen Zimmer im Schloss beginnt und bei prächtigen Geschenken wie wertvollen Haarkämmen endet, deren Verkauf ausreichen würde, ihr Volk in Inopfe einen ganzen Winter lang zu ernähren. Und Elodie, die erschlagen ist von all dem Überfluss, erliegt dem Charme des gutaussehenden Prinzen Henry.

Doch schafft es Evelyn Skye wiederholt Hinweise darauf einzustreuen, dass jenseits dieser paradiesischen Zustände etwas im Argen auf der Insel Aurea liegen mag, die ein dunkles Geheimnis verbergen könnte. Denn schon am Abend ihrer Ankunft verwundert es Elodie und ihre Schwester Floria, dass sie durch den Dienstboteneingang ins Schloss geführt werden, statt von der Königsfamilie empfangen zu werden. Zudem beobachten die Schwestern einen eindrucksvollen Fackelzug auf dem Berg von Aurea, der früher ein Vulkan gewesen ist. Für Irritation sorgt schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen am folgenden Tag das Verhalten des Königs von Aurea und damit von Elodies künftigen Schwiegervater, das vom Hofstaat jedoch auf dessen Gesundheitszustand geschoben wird.

 

Zum Spannungsbogen im weiteren Verlauf dieses Romans

Der märchenhaft anmutende Beginn von Damsel mag darüber hinwegtäuschen, dass es in dessen weiteren Verlauf deutlich düsterer zugeht, wenn die Geschichte, die dann unerwartet brutal und blutig ausfällt, in abgründigem Ton fortgeführt wird. Der Kipppunkt, der nach etwa dem ersten Drittel dieses Buchs erreicht wird, ist ein drastischer Schlag in die Magengrube, dessen Effekt umso größer ist, je weniger einem zuvor als Leser über die Entwicklung dieses Romans bekannt ist. Denn der Autorin gelingt es nicht nur Hinweise einzustreuen, ohne dabei jedoch zu viel zu verraten, sondern sie schafft es auch, ihre recht ungleichen Teile zu einem erstaunlich stimmigen Ganzen zusammenzuführen.

 

Mein Fazit

Nach seinem ruhigen Einstieg gleicht der Roman Damsel in seinem weiteren Verlauf einer atemlosen Hatz, in der Evelyn Skye kaum den Fuß vom Gas nimmt, um mir bei der Lektüre zumindest eine kurze Verschnaufpause zu gönnen. Stattdessen zieht sie die Daumenschrauben immer weiter an, wenn sie die Spannungskurve sowohl in Szenen einer offenen Konfrontation als auch während eines beklemmenden Katz-und-Maus-Versteckspiels stetig nach oben treibt. Denn Elodie hat als Heldin wider Willen vielfältige Herausforderungen und Abenteuer zu bestehen, denen sie sich teils mit Raffinesse und ihrem hellen Verstand stellt, oft nur aber durch pures Glück entgeht und bei denen sie bisweilen Hilfe von unerwarteter Seite erhält. Dabei mausern sich Höhlenschwalben, mal durch die erzeugte Tragik, mal durch ihre betörende Schönheit, zum Szenendieb in jedem Kapitel, in dem sie auftreten. Trotz der eingeschobenen Abschnitte, die die Blickwinkel anderer Frauen in Vergangenheit und Gegenwart beleuchten, entwickelt sich Damsel immer mehr zur One-Woman-Show von Hauptfigur Elodie, während sie über sich selbst hinauswachsen muss, um zur Heldin zu reifen. Bei der Schilderung der Entwicklung ihrer Protagonistin ist Evelyn Skye das Kunststück gelungen, diese ungeachtet des durch die enge Taktung der Ereignisse hohen Erzähltempos über den gesamten Roman hinweg für mich glaubwürdig und nachvollziehbar werden zu lassen.

 

4,5 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: Damsel
  • Herausgeber: Heyne
  • Erscheinungsdatum: 13. Dezember 2023
  • Seitenzahl: 416
  • ISBN-10: 3453274482
  • ISBN-13: 978-3453274488
  • Preis: 24 €