City of Dreams von Don Winslow


Nicht ganz so gelungene, da wenig eigenständige Fortsetzung um den Gangster Danny Ryan

 

Inhalt: Danny Ryan will möglichst viel Abstand zwischen sich und Providence in Rhode Island bringen, weil er auf der Flucht ist, nachdem er den korrupten Agenten Jardin erschossen hat und zehn Kilo H, die im Verkauf auf der Straße Millionen eingebracht hätten, im Meer entsorgt hat. Begleitet wird Danny von seinem Vater Marty und Sohn Ian sowie dem kläglichen Rest der einst so stolzen irischen Mafia seiner Heimatstadt, der aus seiner Crew besteht. Auf den Fersen sind Danny die FBI-Agentin Moneta, die auf Rache sinnt, da Jardin ihr Geliebter gewesen ist, und dem seine Schulden über den Kopf wachsenden Peter Moretti, der als Kopf der italienischen Mafia zwar den Krieg gewonnen hat, nun aber in seinen Geldsorgen ertrinkt. Obwohl Danny über keinen Notgroschen verfügt, ihm kein sicherer Fluchthafen bekannt ist und er zu viele Feinde hat, die mit allen Mitteln nach ihm suchen, gedenkt er das seiner Frau Terri auf ihrem Totenbett gegebene Versprechen, ihren Sohn zu beschützen, zu halten. Komme, was da wolle.

 

Protagonist Danny Ryan und seine ihm verbliebene Gang
“City of Dreams” ist nach “City on Fire” der zweite Teil einer Trilogie von Don Winslow, der genau in dem Punkt beginnt, an dem der Vorgänger geendet hat. Obwohl der Autor am Anfang in zusammengefasster Form zentrale Ereignisse des ersten Bandes wiedergegeben hat, ist mir die Orientierung in diesem Roman zunächst schwer gefallen, indem ich nur mühsam den Überblick behalten konnte. Das lag wohl primär im recht umfangreichen Figurenarsenal begründet, mit dem “City on Fire” ausgestattet ist. In dieser Hinsicht hätte ich ein vorangestelltes Personenverzeichnis als hilfreich empfunden.
Der in der irischen Mafia groß gewordene Danny, der noch unter dem Verlust seiner Frau Terri leidet, die ihrer Krebs-Erkrankung erlegen ist, hat sich in “City of Dreams” über weite Strecken anderen Herausforderungen zu widmen, wenn er sich an die für ihn ungewohnte Rolle als Vater zu gewöhnen hat. Denn seine Verantwortung besteht nun darin, für den kleinen Ian, der bereits seine Mutter verloren hat, da zu sein. Zudem hat er sich um seinen Vater Marty zu kümmern, weil der immer häufiger Aussetzer hat, so dass dessen Diagnose Demenz wenig überraschend kommt. Auch muss Danny seine Gang unter Kontrolle behalten, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, was die Sicherheit seiner Familie gefährden würde. Sorgen bereiten Danny die jungen "Messdiener" Kevin Coombs und Sean South, die im guten wie im schlechten Sinn verrückt sind, indem er auf die Loyalität seines besten Freundes Jimmy Mac Neese, der ein ausgezeichneter Fluchtwagenfahrer ist, und von Ned Egan, dem Leibwächter seines Vaters, zählen kann.

 

Schwächen im Spannungsaufbau nach dem starken Prolog
Nach dem Prolog, der zeitlich deutlich später als der Beginn dieses Romans angesiedelt ist und der wegen seines offen gehaltenen Ausgangs, der die Danny von Seiten neu gewonnener Feinde drohenden Schwierigkeiten anreißt, spannend geraten ist, setzt die eigentliche Handlung ein. Die erst so steil angezogene Spannungskurve tendiert dann gegen Null, wenn Don Winslow bis zum Finale des ersten Teils so gut wie keine Szene einbaut, die das Adrenalin nach oben treiben würde. Denn der Autor stellt in den Mittelpunkt seines Buchs, wie Danny seinem Sohn ein richtiger Vater wird, da er seine Zeit damit verbringt, mit ihm auf den Spielplatz zu gehen, ihn dort rutschen zu lassen oder mit ihm im Pool zu planschen. Dabei hat die in “City of Dreams” erzählte Geschichte durchaus ihre interessanten Komponenten, die aber weniger bei Danny liegen und deren Intensität eher in den darin geschilderten Dramen als in Überfällen, Schießereien, Verfolgungsjagden und Mordanschlägen, die “City on Fire” in seiner Beschreibung des zwischen irischer und italienischer Mafia tobenden Kriegs geprägt haben, begründet liegt.
Hierzu hätte Don Winslow den Fokus seines Romans auf diejenigen seiner Figuren richten sollen, in deren Leben die Tragik die Oberhand gewinnt. Dafür hätten sich etwa die Demenz Erkrankung von Dannys Vater Marty und mehr noch die an ihrem Unglück zerbrechende Familie von Peter Moretti angeboten, zu der seine Frau Celia und deren drei Kinder gehören. Über die Probleme von deren jüngster Tochter, die sich immer weiter zuspitzen, verzweifelt ihre Mutter und weiß sich nicht anders zu helfen, als sie in eine luxuriöse Privatklinik einweisen zu lassen. Ihr Vater bemüht sich zwar, seiner Tochter die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie so dringend braucht, scheitert aber daran, weil er von seinen Geldsorgen abgelenkt ist, die auch die Finanzierung eines Aufenthalts in einer derart teuren Klinik verhindern. Statt in unnötiger Weise an der Vorlage der Aeneis festzuhalten und sich auf seinen Protagonisten Danny zu konzentrieren, hätte der Autor der Tragödie um die Familie Moretti nur mehr Raum geben müssen, damit das darin beinhaltete Drama seine Wucht entfalten kann.

 

Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge
Zudem rückt Don Winslow einen Handlungsstrang, der um die Filmstudios in Hollywood kreist, in den Mittelpunkt seines Romans. Die darüber eingeführte Meta-Ebene, die im Thema des dort gedrehten Films begründet liegt, ist zwar die Grundlage für einige humorvolle Szenen, die die Absurdität der Situation zur Schau stellen. Dadurch wird jedoch der eigentlich diese Trilogie bestimmende Grundton verfehlt, der in "City on Fire" vorgegeben wurde und zu einem Mafia-Epos passt. Abgesehen davon hebt sich "City on Dreams" kaum von seinem Vorgänger ab, wenn dieser Roman zu wenig Eigenständiges beizutragen hat und so eher die Geschichte des ersten Bandes wiederholt wird. Stärker wäre "City on Dreams" ausgefallen, wenn das Buch mehr Nebenfiguren wie der Chicagoer Mafia, die eine Zweigstelle in L.A. eröffnet hat und nun ihre Fühler nach Vegas ausstreckt, oder dem Drogenbaron Popeye Abbarca, der im Prolog als einäugiger Zyklop Eindruck hinterlassen hat, gefolgt wäre statt derart detailliert zu beschreiben, wie Danny die Füße still halten muss, um unsichtbar zu bleiben und nur noch legalen Tätigkeiten nachgehen darf.
Meinem Empfinden nach hat sich Don Winslow anders als in "City on Fire" und der gelungenen Integration eines Zyklopen in die Handlung allzu sehr an der Vorlage der Aeneis sowie weiterer Sagen, die den trojanischen Krieg und daraus resultierende Ereignisse auf Seiten der Griechen behandeln, orientiert. Dadurch steht etwa der Ausgang der Romanze, die sich zwischen Danny und einer Hollywood-Schauspielerin entspinnt, die er während der Dreharbeiten zum Film kennengelernt hat, bereits fest. Besonders deutlich tritt diese Schwäche aber im Drama um die Familie Moretti zutage. Dabei erzählt der Autor die entsprechende griechische Sage nach, ohne jedoch die Wucht der darin beinhalteten Tragödie heraufbeschwören zu können. So ist für mich, weil ich das Original kannte, früh klar gewesen, welchen Verlauf die Geschichte der Familie Moretti nehmen und welche Todesfälle das nach sich ziehen wird. Damit ist der drastische Überraschungseffekt, den Don Winslow wohl durch die Art, in der er dieses Drama wiedergegeben hat, das derart plötzlich seinen Kulminationspunkt erreicht hat, erzielen wollte, bei mir verpufft.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: City on Fire
  • Herausgeber: HarperCollins
  • Erscheinungsdatum: 23. Mai 2023
  • Seitenzahl: 368
  • ISBN-10:  3365001697
  • ISBN-13: 978-3365001691
  • Preis: 24 €

Die Die City on Fire-Saga:

  • Band 1: City on Fire
  • Band 2: City of Dreams