Rezensionen im Februar 2023

 

Im Februar habe ich im originell in Comic-Form gestalteten Ratgeber "Gärtnern für Ahnungslose" gelernt, wie auch absolute Anfänger Obst, Gemüse und mehr anbauen können. In ihrem Kochbuch hat Judith Rakers mir dann gezeigt, wie sich das Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten in leckeren Rezepten weiterverarbeiten lässt. Passend zur dunklen Jahreszeit haben mich abgründige Thriller ("Der Weg ins Feuer", "Die marmornen Träume") in ihren Bann gezogen und düstere Fantasy-Romane ("Der Paria", "Book of Night") in deren Welt entführt.

 

26. Februar 2023: Der Weg ins Feuer von Kathleen Kent

23. Februar 2023: Die marmornen Träume von Jean-Christophe Grangé

20. Februar 2023: Der Paria von Anthony Ryan

17. Februar 2023: Gärtnern für Ahnungslose von Carolin Engwert

13. Februar 2023: Book of Night von Holly Black

8. Februar 2023: Homefarming Das Kochbuch von Judith Rakers

3. Februar 2023: Brandmal von Elina Backman

 

 

26. Februar 2023: Der Weg ins Feuer von Kathleen Kent

 

Erst ruhig erzähltes Drama, dann rasanter und actiongeladener Thriller

 

Inhalt: Betty Rhyzyk, die Drogenfahnderin beim Dallas Police Department ist, ist noch krank geschrieben, weil sie sich von ihrer Verletzung am Fuß erholt. Da wird der erste Drogendealer ermordet aufgefunden. Der wurde auf offener Straße erschossen. Am Tatort wurde ein Bibelspruch hinterlassen, der Betty bekannt ist und ungute Erinnerungen an die Family Roy weckt. Ist die Family zurück, um sich ihr Territorium in Dallas zu erobern? Sinnt deren Anführerin Evangeline Roy auf Rache an Betty? Ein Machtkampf rivalisierender Kartelle liegt nahe. Auch El Cuchillo, der brutale Fixer des Sinaloa-Kartells, kann für die Morde verantwortlich sein. Doch häutet der seine Opfer lieber als dass er sie einfach nur erschießt. Und so nimmt Betty die Ermittlungen in diesem abgründigen Fall auf.

 

Einordnung in die Betty Rhyzyk-Reihe
Der Weg ins Feuer ist nach der Toten mit der roten Strähne der zweite Band der Reihe um Drogenfahnderin Betty Rhyzyk. Ohne den Vorgänger gelesen zu haben, konnte ich diesem Krimi folgen. Denn die traumatischen Erlebnisse, die Betty in der Toten mit der roten Strähne zu erleiden hatte, verfolgen sie immer noch. Das nutzt Kathleen Kent als Gelegenheit die Wochen, die Betty bei der Family Roy und deren grausamen Oberhaupt Evangeline verbringen musste, zu rekapitulieren. Indem das Finale des ersten Bandes dabei detailliert am Anfang dieses Krimis wiedergegeben wird, möchte ich jedem, der beide Bücher lesen möchte, raten mit der Toten mit der roten Strähne zu beginnen.

 

Hauptfigur und Drogenfahnderin Betty Rhyzyk
Protagonistin Betty stammt aus einer Polizisten Familie. Nicht nur ihr Vater war Cop, sondern auch ihr großer Bruder, der zu jung verstorben ist. Betty, die eine ehrliche Polizistin ist, pflegt einen unkonventionellen Ermittlungs- und Kleidungsstil mit einer Vorliebe für extravagante Tattoos. Wegen des erlittenen Traumas hat Betty ihre Wut kaum unter Kontrolle, erleidet wiederholt Panikattacken und sieht in jeder rothaarigen Frau ihre Nemesis Evangeline Roy. Dennoch lässt die Autorin Ansätze der starken Frau aufblitzen, die Betty zuvor gewesen ist. Am meisten hat sie damit zu kämpfen, dass sie aufgrund ihrer Verletzung am Fuß nicht mehr joggen kann. So bleibt es ihr verwehrt, sich Frust, Aggression und Angst von der Seele zu laufen. Auch kann sie sich bedingt durch ihre Krankschreibung nicht mit ihrer Arbeit in der Fokussierung auf ihren Job ablenken.

 

Erst ruhig erzähltes, von seinen starken Charakterisierungen getragenes Drama
Der Weg ins Feuer ist in seinem ersten Drittel von einer ruhigen Erzählweise geprägt, die dem Drama, zu dem Bettys Leben geworden ist, Raum gibt. Denn Betty droht ihre Liebe Jackie zu verlieren, die nach Monaten, in denen Betty schon in diesem Zustand ist und während derer sie sich um Betty gekümmert hat, merklich überfordert und am Ende ihrer Kräfte ist. Hinzu kommen die Konflikte mit ihrem Boss Marshall Maclin, mit dem Betty eine unangenehme Vorgeschichte verbindet und der nur auf einen Vorwand für ihre Suspendierung wartet.
Bevor die Handlung Fahrt aufnimmt, wenn die Ermittlung in den Mordfällen in die Gänge kommt, wird dieser Krimi, der da mehr Drama ist, von den starken Charakterisierungen seiner Figuren getragen. Wie Betty jeden in ihrem Umfeld vor den Kopf stößt, weil sie mit niemandem über ihre Angst vor Evangeline Roy reden kann, ist glaubwürdig von Kathleen Kent beschrieben. Weil Betty immer mehr trinkt, gerät ihr Leben weiter aus den Fugen, obwohl alle versuchen ihr zu helfen. Zudem wartet die Autorin mit einigen interessanten Nebenfiguren auf. Dazu zählen Bettys Lebensgefährtin Jackie, die nicht nur die Heilige spielen, sondern auch eine ganz andere Seite von sich zeigen darf, und die schillernde, ziemlich toughe Dusty Rose, die sich bei jedem ihrer Auftritte zum Szenendieb mausert.

 

Im weiteren Verlauf dann rasanter, actiongeladener Thriller
Im weiteren Verlauf entwickelt sich der Weg ins Feuer zum rasanten Thriller, wenn sich die Leichen der Drogendealer stapeln und sich die Ereignisse dann etwa bei einem unheimlichen Abstieg in den Untergrund von Dallas überschlagen. Dabei zieht Kathleen Kent die Spannungsschraube immer weiter bis hin zu einem feurigen Highlight an, das auch ein starker Schlusspunkt unter diesen Thriller gewesen wäre. Dessen Auflösung hat mich zwar überrascht. Weil ich den Täter aber erst kurz vor seiner Enthüllung habe kommen sehen, hätte ich mir einen detaillierten Einblick in dessen Gedankenwelt gewünscht. Denn das hätte sein Motiv, das mir in der von der Autorin gelieferten Form ein wenig dünn gewesen ist, näher beleuchtet. Ideal wäre dafür ein Kapitel aus Tätersicht gewesen, das die bisherigen Ereignisse dieses Buchs und damit insbesondere die Morde aus seiner Perspektive geschildert hätte.

 

Schwierige Übergänge bei den sich nicht zusammenfügenden, unterschiedlichen Teilen

Im ersten Drittel hat mich der Weg ins Feuer als ruhig erzählter Krimi, der seine Intensität aus dem Drama in Bettys Leben zieht, überzeugt und in der zweiten Hälfte hat mir dieses Buch als temporeicher, actiongeladener Thriller gefallen. Nur haben sich diese beiden so grund verschiedenen Teile für mich nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt. Stärker wäre dieser zweite Band der Betty Rhyzyk-Reihe ausgefallen, wenn Kathleen Kent sich entweder für ein intensives Krimi-Drama oder einen rasanten Thriller entschieden hätte. Dafür hätte entweder das erste Drittel dieses Buchs weit kürzer ausfallen müssen, wenn die Autorin früher das Tempo angezogen hätte, oder aber im letzten Drittel hätte auf einige nur von Action bestimmte Szenen verzichtet werden müssen. Stattdessen hätte Betty keine Blitzheilung durchlaufen dürfen, sondern müsste immer noch von den erlittenen Traumata gezeichnet sein. Dabei hätte die Autorin dann auch auf das Drama im von seiner Sucht geprägten Leben des Täters eingehen können.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: The Burn
  • Herausgeber: Suhrkamp
  • Erscheinungsdatum: 13. Februar 2023
  • Seitenzahl: 359
  • ISBN-10: 3518472968
  • ISBN-13:  978-3518472965
  • Preis: 16,95 €

Betty-Rhyzyk-Serie:

  • Band 1: Die Tote mit der roten Strähne im Haar
  • Band 2: Der Weg ins Feuer
  • Band 3: The Pledge

 

23. Februar 2023: Die marmornen Träume von Jean-Christophe Grangé

 

Ambitionierter Krimi mit Thriller-Elementen um eine brutale Mordserie im Berlin des Jahres 1939

 

Inhalt: Margarete Pohl, die Frau eines SS-Gruppenführers, wurde brutal ermordet und grausam verstümmelt aufgefunden. Vernachlässigt von ihrem Mann verbrachte sie ihre Tage mit Besuchen beim Friseur, mit Einkäufen und im Wilhelmclub. Dabei traf sie ihre Freundinnen zu Klatsch und Tratsch im Hotel Adlon. Zudem war sie seit zwei Jahren wegen ihrer Depression in Therapie bei Dr. Simon Kraus. Margarete fürchtete nur den Marmormann, wie sie ihrem Mann kurz vor ihrem Tod anvertraute. Doch Simon weiß aus seinen Sitzungen mit ihr, dass dieser Golem nur in ihren Träumen spukte. Weil Margarete nicht das erste Opfer ist und nachdem Max Wiener, Kriminalinspektor bei der Polizei, trotz der Suche nach Zeugen und Unterstützung durch das Kriminaltechnische Institut des Reichssicherheitshauptamts keine Fortschritte in diesem Fall erzielen konnte, übernimmt Hauptsturmführer Franz Beewen die Leitung in seiner ersten Mordermittlung.

Ungewöhnliches Trio an Hauptfiguren

Jean-Christophe Grangé gliedert seinen Thriller in historischem Setting, der im Berlin des Jahres 1939 angesiedelt ist, in fünf Teile. Diese bestehen aus Kapiteln von angenehmer Länge, die aus wechselnden Perspektiven geschildert sind. Dazu zählen die Sichtweise von Dr. Simon Kraus, der Psychiater, Gigolo und Erpresser ist, von Hauptsturmführer Franz Beewen, der die Mordserie aufzuklären hat, und Minna von Hassel, der Leiterin der Brangboer (Irren-)Anstalt.
Das Spezialgebiet von Simon, der als Psychoanalytiker tätig ist, sind die Träume und deren Deutung. Darüber hat er sogar seine Doktorarbeit verfasst. Simon hat eine schicke Praxis, die er seinen Beziehungen verdankt. Nach Enteignung der zuvor dort lebenden Juden konnte er kostenlos einziehen und behandelt da nun seine Patientinnen, die die Frauen hochrangiger Funktionäre oder einflussreicher Industrieller sind und deren Träume er analysiert. Heimlich zeichnet er diese Sitzungen auf und erpresst seine Patientinnen, wenn sie etwas Verfängliches über die politische Einstellung ihrer Männer äußern. Auf diese Weise finanziert Simon seinen luxuriösen Lebensstil.
Franz Beewen, der in Armut auf einem Bauernhof groß geworden ist, ist harte Arbeit gewohnt. Im ersten Weltkrieg ist sein Vater auf dem Schlachtfeld Gas ausgesetzt gewesen, wovon er sich nie wieder erholt hat, weswegen er in eine Anstalt eingewiesen werden musste. Nach diesen Schicksalsschlägen, die Beewen erlitten hat, ist er auf die schiefe Bahn geraten. Trotz seiner zwielichtigen Vergangenheit hat er sich seinen Werdegang erkämpft. Nun träumt er davon zur Wehrmacht versetzt zu werden, um im Einsatz an der Front seinen Vater auf dem Schlachtfeld zu rächen.
Baronin Minna von Hassel stammt aus einer der reichsten Familien Berlins. Sie ringt darum ihre Patienten in der Brangboer Anstalt zu versorgen, denen es an allem Notwendigen mangelt. Denn es sind nicht einmal genügend Nahrungsmittel vorhanden. Minna versucht sich an neuen Therapieformen, die mehr an Folter als an eine Behandlung erinnern. Und als Alkoholikerin gibt sie sich nicht nur in ihrer Freizeit ihrer Sucht hin.
Mit einem erpresserischen Gigolo, Junkie und Gestapo-Mann hat Jean-Christophe Grangé für seinen Thriller ein ungewöhnliches Trio an Hauptfiguren gefunden, deren ambivalente Charakterisierung mir gefallen hat. Und da der Autor die Perspektive, aus der die sich zutragenden Ereignisse geschildert werden, reihum wechselt, habe ich nicht nur die Gedankengänge von jedem der drei kennengelernt, sondern diesen zudem durch die Augen der anderen beiden erlebt. Ähnlich ambivalent wie die Charakterisierung der Figuren an sich ist auch deren komplexes Beziehungsgeflecht untereinander geraten. Dessen Entwicklung räumt der Autor die dafür erforderliche Zeit ein, weil Simon, Beewen und Minna sich erst mit ihrem tiefsitzenden Misstrauen den anderen gegenüber auseinanderzusetzen haben

 

Politisch historischer Kontext der marmornen Träume
Jean-Christophe Grangé etabliert den politisch historischen Kontext seines Romans, indem er die bis 1939 relevanten Ereignisse darüber kurz anreißt, dass er Simon sein Leben der vergangenen Jahre rekapitulieren lässt. Dabei erinnert Simon sich daran, wo bzw. wie er die letzten bedeutsamen historischen Ereignisse erlebt hat. Auch hat Simons Spaziergang zu Beginn des Buchs das Berlin dieser Zeit vor meinem inneren Auge lebendig werden lassen. Dieser führt Simon von seiner Praxis über die Alte Potsdamer Straße und den Potsdamer Platz entlang der Wilhelmstraße bis zu seinem Ziel, das eine Luxusherberge am Wilhelmplatz ist. Dort trifft er eines der Opfer seiner Erpressungen. Dabei ist Simon erschlagen vom quirligen Gewusel der Menschenmengen und Lärm von Automobilen und Straßenbahnen am Potsdamer Platz, das im Kontrast zur so ruhigen wie düsteren Wilhelmstraße steht, in der die Regierung mit ihren Ministerien, Amtsgebäuden und Hauptquartieren residiert.
Vor dieser historischen Kulisse inszeniert Jean-Christophe Grangé eine Serie grausamer Ermordungen von schönen Frauen mächtiger Männer, deren verstümmelte Leichen an Jack The Ripper erinnern. Dabei kommt die Ermittlung in dieser Mordserie nur langsam voran, weil Beewen unerfahren in der Untersuchung von solchen Fällen ist und die Verstrickung seiner Co-Ermittler wie insbesondere deren Beziehung zu verschiedenen Opfern erst nach und nach enthüllt wird.
Zusätzlich zur politischen Stimmung, die durch den drohenden Krieg aufgeladen ist, behandelt Jean-Christophe Grangé weitere im historischen Kontext stehende Themen. Dazu gehören die Traumdeutung und Traumforschung, die Simons Leidenschaft ist, die Behandlung von im ersten Weltkrieg ob in körperlicher oder geistiger Hinsicht versehrten Soldaten, da die traumatisierten Überlebenden des Kriegs etwa in Minnas Klinik behandelt werden, zu denen Beewens Vater zählt, und die Beschreibung der in dieser Zeit gängigen Therapieformen (u.a. Elektroschocks, Hydrotherapie, Infektion mit Malaria), das Studio Babelsberg und die Filmwelt im Allgemeinen. Das sind bei weitem nicht alle Themen, die vom Autor in diesem Krimi-Thriller angerissen werden. Weitere möchte ich an dieser Stelle jedoch nicht vorweg nehmen, um nicht die sich dadurch ergebenden unerwarteten Richtungen, die dieses Buch im Zuge der Ermittlungen von Beewen einschlagen wird, zu verraten.

 

Kritikpunkte an diesem zu ambitioniert geratenen Roman
Insgesamt hat Jean-Christophe Grangé in seinem ambitionierten Roman zu viel auf einmal gewollt. Das lässt zwar die Handlung in seinem Buch die ein oder andere für mich gänzlich unerwartete Wendung nehmen. Spätestens aber mit dem dritten fundamentalen Twist, der diesem Krimi-Thriller eine Entwicklung gibt, die konträr zu seinem bisherigen Verlauf ist, ging mir das zulasten der Glaubwürdigkeit. Die zuvor eingeführten Verdächtigen, die sich letztlich als falsche Fährten entpuppt haben, habe ich da als weit stimmiger empfunden. Um schließlich seinen Täter und dessen Motiv zu verklausulieren, muss der Autor im letzten Teil dieses Buchs auf ausführliche Erklärungen und Argumentationshilfen zurückgreifen. Dennoch scheinen mir dessen finale Enthüllungen im Widerspruch zu Szenen zu stehen, die in den ersten beiden Teilen dieses Buchs geschildert wurden. Diesen Mangel an Plausibilität kaschiert der Autor durch immer extremere Gewaltexzesse, die in ihrer detaillierten Beschreibung unmenschlicher Grausamkeiten kaum zu überbieten sind.
Meiner Ansicht nach ist das Problem der marmornen Träume, dass Jean-Christophe Grangé zu viele seiner vielversprechenden Ansätze und interessanten Ideen in einer einzigen Kriminalgeschichte unterbringen wollte. Diese unterschiedlichen Elemente passen jedoch oft nicht so recht zueinander und wollen sich nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen. Als gelungener hätte ich diesen Stoff empfunden, wenn der Autor diesen in einer Reihe von Kriminalfällen (u.a. in Anstalten für Geisteskranke, im Künstlermilieu, am Filmset) verarbeitet hätte, statt alles in eine einzige Mordermittlung packen zu wollen. Dabei hätten dann auch besser die Stärken der marmornen Träume zum Tragen kommen können, die mich zu Beginn dieses Romans überzeugt haben. Dazu zählen für mich die Beschreibung des historischen Settings, die brutalen Mordfälle an verschiedenen Schauplätze im Berlin des Jahres 1939 und das ambivalent gezeichnete Hauptfiguren Trio. Auch hätte ich mir gewünscht, dass der Autor seine Figuren nicht permanent gegen den Strich, sondern ihrer Charakterisierung entsprechend eingesetzt hätte. Dann hätte Beewen in Verfolgungsjagden und physischen Konfrontationen seine Präsenz ausspielen können, Simon wäre der geniale Psychoanalytiker wie Traumdeuter gewesen und Minna als Expertin für die Psyche von Serienmördern eine Vorgängerin der heutigen Profiler.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: Les Promises
  • Herausgeber: Tropen
  • Erscheinungsdatum: 18. Februar 2023
  • Seitenzahl: 688
  • ISBN-10: 3608501711
  • ISBN-13: 978-3608501711
  • Preis: 26 €

 

20. Februar 2023: Der Paria von Anthony Ryan

 

Gelungener, abwechslungsreich erzählter Trilogie-Auftakt um den aufgeweckten Gesetzlosen Alwyn

 

Inhalt: Der junge Alwyn lebt im Wald der Shavine-Marschen bei einer Bande von Gesetzlosen, über die deren König Deckin Scarl, dem Alwyn treu ergeben ist, uneingeschränkt herrscht. Auf einem Beutezug fällt ihnen ein Bote des Königs samt seiner Nachricht in die Hände. So erfährt Deckin von der letzten Schlacht im Prätendenten-Krieg, der schon länger währt, seit der Prätendent Anspruch auf den königlichen Thron erhoben hat. Nun hat Herzog Rouphon, zu dessen Gebiet der Wald der Shavine-Marschen gehört, seine Loyalität in diesem Krieg gewechselt. Und da Deckin, den seine eigene Geschichte mit der des Herzogs verbindet, nicht von seinem Verderben lassen kann, wird auch Alwyn in diesen Konflikt hineingezogen. Das führt zur Katastrophe, so dass Alwyn droht alles zu verlieren.

 

Protagonist Alwyn Scribe

Der stählerne Bund stellt den Auftakt einer neuen Trilogie um den Paria von Anthony Ryan dar. Dieser Roman ist in drei Teile untergliedert, zwischen denen ein größerer und ein Zeitsprung von kürzerer Dauer erfolgen. Zu Beginn wird Hauptfigur Alwyn vom Autor vorgestellt, der als Bastard, dessen Mutter bei seiner Geburt gestorben ist und dem sein Vater nicht bekannt ist, eine schwere Kindheit hatte. Erst als er halb verhungert von Deckin gefunden und aufgenommen wird, findet er eine Art Zuhause. Auch später steht Alwyn wegen seines scharfen Blicks und hellen Verstandes, der ihn etwa besser als andere Lügen erkennen lässt, in der Gunst von Deckin.
Dieser Roman wird aus Sicht von Alwyn erzählt. Damit ist allerdings nicht der Alwyn im Hier und Jetzt gemeint, sondern ein Alwyn in reiferem Alter, der seine Geschichte als Rückblick wiedergibt. So fließen immer wieder Kommentare des älteren Alwyn mit ein, die Hinweise auf den weiteren Verlauf der Handlung geben. Diese sind teils geschickt von Anthony Ryan umgesetzt, weil damit Passagen, in denen sonst wenig passiert, interessant gehalten werden. Denn dadurch wurde meine Neugierde geweckt, die mich über zukünftige Ereignisse in Alwyns Leben hat rätseln lassen. An manchen Stellen haben mich diese Andeutungen auf die falsche Fährte geschickt (z.B. Stallknecht), teils haben mir diese aber schon früh zu viel verraten (u.a. Erchel).

 

Starke und schwächer ausgefallene Nebenfiguren
Neben der Beschreibung von Protagonist Alwyn habe ich auch die der meisten anderen Figuren als gelungen empfunden. Dabei hat mir besonders die Ambivalenz in der Charakterisierung des legendären Gesetzlosen Deckin Scarl zugesagt. Denn Deckin ist vom Autor nicht romantisiert oder wie in den Balladen über ihn verklärt worden, obgleich Alwyn in späteren Jahren einen nostalgischen Blick auf seine seine Zeit bei den Gesetzlosen im Wald hat. Stattdessen wird Deckin als schlauer, aber auch gefährlicher und bisweilen aufgrund seiner Launen unberechenbarer Anführer seiner Bande beschrieben. Nicht minder interessant sind für mich die Figuren (u.a. Sir Althus Levalle, Aszendentin Sihlda, die Sackhexe) gewesen, denen Alwyn im weiteren Verlauf der Handlung begegnen wird.
Leider hat mich gerade die Charakterisierung der adligen Feldherrin Evadine Courlain nicht überzeugt, der Anthony Ryan für meinen Geschmack zu viel Raum in diesem Roman gegeben hat. Evadine ist eine furchtlose Kämpferin, die über ein beeindruckendes Redetalent verfügt, mit dem sie in ihren Ansprachen Menschenmengen zu manipulieren vermag. An Evadine hat mich die in sich widersprüchliche Beschreibung des Autors gestört. So konnte ich sie nicht als starke Frau wahrnehmen, weil sie dafür einfach einmal zu oft wie ein Fräulein in Nöten von einem Mann gerettet und vor dem Tod bewahrt werden musste. Auch erinnerte mich Evadine oft an die Statue, mit der Alwyn ihre Schönheit vergleicht, und ist als solche für mich schwer greifbar gewesen. Damit ist ihre Entwicklung zwar ziemlich überraschend, aber auch schlecht nachvollziehbar für mich gewesen.

 

Eine von politisch-religiös motivierten Machtkämpfen geprägte Welt
In diesem Roman entwirft Anthony Ryan eine ganze Welt, in der er nicht nur einen ausgewachsenen Krieg toben lässt, sondern in der verschiedene Völker leben (u.a. im Norden heimische Ascarlianer und Zauber webende Caerither). Diese werden ausführlich in ihrer Kultur und ihren Traditionen, aber auch in ihrer Geschichte und ihrem praktizierten Glauben beschrieben. In Alwyns Heimat ist die vorherrschende Religion die des Bundes, die die Seraphilen anbetet und an die Märtyrer glaubt. Da wäre ein Glossar, das leider nicht vorhanden ist, hilfreich gewesen. Als praktisch habe ich die dem eigentlichen Roman vorangestellte Karte empfunden, da diese mir eine Orientierungshilfe geboten hat.

 

Mein Leseeindruck im weiteren Verlauf und Fazit zum Schluss
Im stählernen Bund hat mir der von Anthony Ryan gebotene Abwechslungsreichtum gefallen, der von raffinierten Raubzügen von Diebesbanden, blutigen Hinrichtungen und brutalen Massakern, aber auch von gewaltigen Schlachten und von Magie, wenn Gespräche mit Toten geführt und unmögliche Heilungen vollzogen werden, erzählt. Dabei beweist der Autor ein besonderes Können im Ausloten menschlicher Abgründe, ob diese sich in kleinen oder großen Lügen, in Gestalt von ausgewachsenen Intrigen oder während einer brutalen Schlacht zeigen. Unschuldig ist diesem abgründigen Fantasy-Roman kaum einer.
Eine weitere Stärke dieses Romans sind seine für mich unerwarteten Wendungen. So konnte mich nicht nur überraschen, welche Figur der Tod ereilt, sondern auch wann es für Alwyn zu einem erneuten Aufeinandertreffen mit einer zuvor eingeführten Person kommt. Im Schlussteil trumpft der Autor mit mehr als nur einer Enthüllung auf, die ich teils als sehr überzeugend (u.a. Sir Althus Levalle, die Sackhexe, Aszendentin Sihlda), teils als weniger gelungen (u.a. Deckin, der Kettenmann, Lorine) empfunden habe. Und obwohl ich gerade Feldherrin und Märtyrerin Evadine als eine der schwächsten Figuren dieses Romans wahrgenommen habe, die im nächsten Band Martyr wohl eine noch größere Rolle spielen wird, bin ich schon auf die Fortsetzung des stählernen Bundes gespannt und möchte gern erfahren, wie es Alwyn weiterhin ergehen wird.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: The Pariah
  • Herausgeber: Klett Cotta
  • Erscheinungsdatum: 18. Februar 2023
  • Seitenzahl: 720
  • ISBN-10: 3608980911
  • ISBN-13: 978-3608980912
  • Preis: 26 €

Der stählerne Bund-Reihe:

  • Band 1: Der Paria
  • Band 2: The Martyr
  • Band 3: The Traitor

 

17. Februar 2023: Gärtnern für Ahnungslose: So wächst es wie von selbst! von Carolin Engwert und Véro Mischitz

 

Toll gestalteter Ratgeber mit hilfreichen Tipps & Tricks für absolute Anfänger

 

Aufgrund der originellen Gestaltung im Comic-Stil, die in liebevollen Details ausgearbeitet ist und in erstaunlicher Konsequenz durchgezogen wird, so dass sich diese auf jeder einzelnen Seite des Buchs wiederfindet, ist Gärtnern für Ahnungslose ein Hingucker. Die auffällige Aufmachung lässt diesen Ratgeber zu einer tollen Geschenkidee werden, die auch für Jüngere geeignet ist. Dabei denke ich etwa an das Kapitel "Behind the [plant] scenes", mit dessen Hilfe Kindern oder zumindest Jugendlichen vermittelt werden kann, wie Pflanzen für ihr Wachstum Sonnenenergie nutzbar machen. Abgerundet wird diese kleine Lehrstunde von dazu passenden Illustrationen, die etwa einen Blattquerschnitt zeigen. Zudem wird ein "Einstieg in die Botanik" anhand von verschiedenen Blütenformen (z.B. Kreuzblütler, Doldenblütler) gegeben.
Gärtnern für Ahnungslose richtet sich an Leute wie mich, die ihren Garten gestalten wollen, obwohl ihnen ein grüner Daumen fehlt. Die zugängliche, unkomplizierte Art, in der dieser Ratgeber mir relevantes Garten-Wissen näher gebracht hat, hat mich motiviert und mir zugleich die Hemmungen genommen. So startet die Autorin etwa mit einem Grünes-Daumen-Training. Insgesamt habe ich die Comic-Gestaltung dieses Buchs nicht nur als originellen Ansatz empfunden, der ein Blickfang ist, sondern als stimmiges, hilfreiches Gesamtkonzept, das gut umgesetzt wurde. Dazu passt auch der in Textform gegebene Inhalt.

 

Erläuterung von Basics im Garten und Tipps für Anfänger
Gärtnern für Ahnungslose beginnt bei den absoluten Basics. Erst habe ich mehr über mich und die Beziehung zu meinem Garten gelernt, indem ich erfahren habe, welcher Gartentyp ich bin und welche Ziele ich mit meinem Garten verfolge. Danach hat die Autorin mir zehn Gartengeräte, die zur Grundausstattung gehören, die es für den eigenen Garten braucht, und eine Übersicht mit Orten, an denen sich Pflanzen kaufen lassen, an die Hand gegeben. Auch gab es eine Anleitung zur Beetplanung, bei der etwa der Standort in Abhängigkeit von der Bodenart und Sonneneinstrahlung zu beachten ist, und Tipps zu Mischkulturen inkl. zahlreicher Beispiele, an denen Beginner im Garten sich versuchen können.
Als nützlich habe ich die Tipps empfunden, die sich an Anfänger richten. Dazu gehört die Vorstellung der Gardener‘s darlings (u.a. Pflücksalat, Radieschen, Hornveilchen, Primeln), d.h. von besonders pflegeleichten Pflanzen, die sich somit für die Zielgruppe dieses Ratgebers eignen. Denn die Autorin predigt das Mantra, dass auch Leute ohne grünen Daumen einen schönen Garten haben können. Und so ist in diesem Ratgeber der Titel Programm. Auf der anderen Seite bedeutet das aber, dass dieses Buch für all jene, die bereits über Erfahrung im Garten verfügen, weniger gut geeignet ist. Denn dabei werden sie kaum Neues lernen.

 

Zur Anlage eines Naschgartens und zum Anbau von Obst wie Gemüse
Einer der Schwerpunkte dieses Ratgebers, der auf der Vermittlung von relevantem Wissen für die Anlage eines eigenen Naschgartens liegt, hat neben den darin vermittelten Basics genau meinen Geschmack getroffen. Denn ohne dass ich über einen grünen Daumen verfüge, möchte ich meinen Garten gern schöner gestalten, indem ich Obst, Gemüse, Salate und Kräuter anbaue.
Das Kapitel zum Naschgarten beginnt mit der Erläuterung von Grundlagen, die das Gießen oder zu beachtende Abstände beim Pflanzen betreffen. Als motivierend habe ich empfunden, dass Carolin Engwert zum Experimentieren etwa mit Hilfe der 50/50 Methode rät. Abgerundet werden diese einführenden Tipps und Tricks von einer Empfehlung pflegeleichter Pflanzen (z.B. Salat), bevor die Autorin sich im Einzelnen mit Gemüse und Salaten, Kräutern sowie Obst auseinandersetzt.
Der Abschnitt zum Gemüse ist von der Autorin übersichtlich aufbereitet, indem verschiedene Gemüsesorten nach ihrem Sonnen-, Wasser- bzw. Nährstoffbedarf geclustert werden. Das reicht beispielsweise von Sonnenanbetern wie Paprika und Tomaten bis hin zu Schattengewächsen wie Feldsalat und Spinat, die auch mit wenig Sonne auskommen. Gurken und Salate zählen zu den Schluckspechten, die viel Wasser benötigen, im Gegensatz zu Zwiebeln und Paprika, die trockene Perioden verkraften können. Abgerundet werden die zum Gemüse gegebenen Informationen von einer Liste mit zehn besonders pflegeleichten Pflanzen, die sich damit bestens für Anfänger eignen (z.B. Radieschen, Spinat, Zucchini).
Interessant fand ich den Exkurs zu Tomaten, weil ich wie viele andere auch gern Tomaten anbauen möchte. Dieser Abschnitt beschreibt deren Anzucht und das Umpflanzen der Jungpflanzen ins Beet, zudem die Blumen, in deren Nachbarschaft Tomaten im Beet gerade auf lange Sicht betrachtet gut gedeihen, und endet mit einer Checkliste, die Dos and Don'ts für Tomaten bündelt. Dieser Exkurs wird vom Abschnitt "Selbst anbauen macht den Unterschied" ergänzt, in dem zu Beginn des Buchs unterschiedliche Tomatensorten angegeben werden.

 

Empfehlungen zum nachhaltigen wie insektenfreundlichen Gärtnern
Weil mir Nachhaltigkeit und Umweltschutz wichtig sind, haben mich die in dieser Hinsicht relevanten Abschnitte in Gärtnern für Ahnungslose interessiert. So informiert Carolin Engwert zu alten Sorten, stellt eine Anleitung zum smarten Pflanzen-Recycling mittels Kompost zur Verfügung und gibt auch Tipps, wie sich beim Gärtnern Plastik sparen lässt.
Abgerundet wird diese Thematik vom Kapitel "Insektenfreundlich durch das Jahr", indem die Autorin auf einen unperfekten Naturgarten eingeht. Dabei führt sie aus, welche Pflanzen geeignet sind, um Insekten anzulocken, die dann Gemüse, Obst und andere Nutzpflanzen bestäuben. Beispiele für insektenfreundliche Pflanzen werden nach den Jahreszeiten unterschieden übersichtlich aufbereitet präsentiert. Im Frühling bieten sich beispielsweise Weidenkätzchen, Krokus oder Buschwindröschen an. Ergänzt werden diese Beispiele für insektenfreundliche Pflanzen durchs ganze Jahr von Tipps etwa für das Anlegen einer Wildrosenhecke. Diese bietet sich als Brutplatz für Insekten an, sofern ausreichend Platz dafür zur Verfügung steht. Zudem werden Heckensträucher (u.a. Vogelbeere) genannt, die Vögel und Insekten besonders gern haben.

 

Was mir in diesem Ratgeber gefehlt hat
Der originelle Ansatz dieses Ratgebers in Comic-Form wäre vermutlich noch stärker ausgefallen, wenn das Buch interaktiver gestaltet worden wäre. Beispielsweise hätten die unterschiedlichen Gartentypen, die es gibt, nicht einfach nur aufgelistet werden können. Stattdessen hätte das ein Fragebogen sein können, so dass ich als Leser anhand der von mir gegebenen Antworten bestimmen kann, welcher Gartentyp ich bin. Dass im Abschnitt "Warum es wichtig ist,deine Sachen aufzuschreiben" der Vorteil eines Gartenjournals erläutert wird, fand ich spannend. Da wäre es aber schön gewesen, wenn sich in diesem Ratgeber einige Seiten gefunden hätten, die Raum für Notizen geboten hätten.
Als praktisch hätte ich zudem empfunden, wenn die Autorin etwa die Vermehrung von Pflanzen mittels Stecklingen, Teilung oder Ausläufern und weitere dafür geeignete Themen anhand von Videoanleitungen vermittelt hätte. Diese Videos hätten dann via in diesem Ratgeber angegebenen QR-Codes aufgerufen werden können.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Herausgeber: Kosmos
  • Erscheinungsdatum: 17. Februar 2023
  • Seitenzahl: 128
  • ISBN-10: 3440176797
  • ISBN-13: 978-3440176795
  • Preis: 18 €

 

13. Februar 2023: Book of Night von Holly Black

 

Ambivalente Figuren, brutale Morde und mythische Bücher in einer Welt abgründiger magischer Schatten

 

Inhalt: Charlie Hall arbeitet als Barkeeperin für die alternde Domina Odette und hält sich schon seit längerem aus allem Ärger heraus. Denn sie führt nun ein geregeltes Leben, zu dem neben ihrem Job auch ihr Freund Vince und die Versuche ihre Schwester Posey zum regelmäßigen College Besuch zu überreden gehören. Bis eines Nachts dann nach einem Streit mit Balthazar, der den Schattensalon im Keller von Odettes Bar führt, ein Charlie Unbekannter in auffälligem Tweed-Anzug aus der Bar rausgeworfen wird. Doch damit haben die dramatischen Ereignisse dieses Abends kein Ende. Denn auf dem Nachhauseweg findet Charlie die grausam zugerichtete Leiche des Unbekannten, den sie nur noch anhand seines Tweed-Anzugs identifizieren kann, und sie wird von einem Wesen, das Schatten anstelle von Händen hat, bedroht.

Zur Protagonistin Charlie Hall

In Book of Night erzählt Holly Black die Geschichte der ehemaligen Diebin und Trickbetrügerin Charlie Hall. In der Gegenwart führt Charlie ein geregeltes Leben, in dem sie nur noch als Barkeeperin arbeitet und keine zwielichtigen Aufträge von Balthazar mehr annimmt. Ihr ein wenig heruntergekommenes Mietshaus bewohnt sie zusammen mit ihrer Katze, ihrem Freund Vince, der als Tatortreiniger tätig ist, aber keinen Schatten hat, und ihrer Schwester Posey. Letztere bestreitet ihren Lebensunterhalt mit dem Legen von Tarotkarten und verbringt ihre Zeit mit der Recherche nach lebendigen Schatten, von denen sie besessen ist, statt das College zu besuchen.

 

Phantastisches Setting in einer Welt belebter Schatten
In diesem Roman entwirft die Autorin eine phantastische Welt, die um besondere Schatten und deren Magie kreist. In dieser gehören Gloamisten, die die Schattenmagie beherrschen und sich in verschiedene Disziplinen unterteilen, zum Alltag. Zu den Gloamisten zählen die Alterationisten, die Schatten kosmetisch manipulieren können und deren Dienste somit gern von Influencern und anderen Berühmtheiten in Anspruch genommen werden. Zudem können sie Menschen auf sog. Happy Trips schicken, während derer diese eigentlich nur auf ihren Schatten ins Nichts starren, dabei aber starke, positive Gefühle erleben können. Neben den Alterationisten gibt es noch die Carapacer, die mit Hilfe ihres eigenen Schattens etwa fliegen oder sich in einen Panzer hüllen können, und die Puppeteere, über die am wenigsten bekannt ist, da sie im Verborgenen agieren und die Geschicke der Welt beeinflussen.
Dabei baut Holly Black ihre phantastische Welt in konsequenterweise Weise rund um belebte Schatten und deren Magie auf. Da in der von der Autorin geschaffenen alternativen Realität Schatten nicht nur magisch sind, sondern dieser Umstand auch der breiten Öffentlichkeit bekannt ist, bieten sich so zahlreiche Möglichkeiten, in denen die Magie der Schatten nebenher in die Geschichte mit einfließt. Das beschränkt sich nicht nur auf Schauspieler und Models, die sich ihre Schatten verschönern lassen, sondern reicht bis hin zum historischen Kontext, indem die Autorin eine eigene Geschichte der Schattenmagie und von deren Entdeckung erfindet, und zum College, an dem sich die Schatten-Thematik in eigens dafür geschaffenen Fächern studieren lässt. Eine Stärke dieses Romans ist, wie dieser meine Sicht auf Schatten beeinflusst hat, die ich zuvor als Selbstverständlichkeit kaum wahrgenommen habe und die ich nun nach dem Lesen schon ein wenig mit anderen Augen sehe.

 

Abwechslungsreiche Erzählweise auf zwei Zeitebenen
Abwechslungsreich erzählt Holly Black ihre Geschichte auf zwei Zeitebenen, die zum einen im Hier und Jetzt spielt und zum anderen von vergangenen Ereignissen in Kapiteln, die mit Damals überschrieben sind, erzählt. So konnte ich Charlie nicht nur als ehemalige Diebin und Trickbetrügerin, die bereits 28 Jahre alt ist, kennenlernen, sondern konnte aus den in der Vergangenheit angesiedelten Kapiteln erfahren, wie Charlie zu dem Desaster namens Charlartan geworden ist. Dadurch dass ich Charlies Entwicklung in ihrer Kindheit und Jugend miterlebt habe, sind ihr Charakter und die von ihr getroffenen Entscheidungen für mich nachvollziehbar geworden. Zudem hat die Kapitel im Damals für mich interessant werden lassen, dass die Autorin darin viel über die hohe Kunst der Trickbetrügerei verraten hat. Denn Charlie erhält fast so etwas wie eine Ausbildung vom Trickbetrüger Rand, der sie unter seine Fittiche nimmt, als er sie zu seiner jungen Komplizin macht. Dabei hat Holly Black mich mit ihren ambivalenten Figuren überzeugt, die selten einfach nur gut oder böse sind, sondern stattdessen beide Seiten in sich vereinen.

 

Zum Spannungsaufbau und zur Genre-Einordnung dieses Romans
An Book of Night haben mir besonders dessen überraschende Wendungen gefallen, die konsequent von der Autorin vorbereitet und so zuvor schon angedeutet werden, ohne dass ich diese dann meist habe kommen sehen. Der zentrale Twist in der Mitte des Buchs, der von einem weiteren zum Ende hin vervollständigt wird, hat so mehrfach alles zuvor Erzählte für mich auf den Kopf gestellt. Das hat die Intensität dieses phantastischen Romans erhöht, dessen Spannung leider darunter gelitten hat, dass Charlies Selbstzweifel zu viel Raum eingenommen haben. Denn Charlies Gedanken scheinen in Endlosschleife um ihre Selbstwahrnehmung als Desaster zu kreisen, da sie alles zerstören muss, mit dem sie in Berührung kommt. Diese stetige Wiederholung hat leider an manchen Stellen die sonst von der Autorin aufgebaute Spannung herausgenommen, der zugute gekommen wäre, wenn Charlies stete Sicht auf sich als Charlartan ein wenig kürzer ausgefallen wäre.
Auch erinnert mich dieser Roman aufgrund seiner Handlung, die Hauptfigur Charlie einen Mord untersuchen und weitere Geheimnisse ergründen lässt, mehr an einen düsteren Krimi mit Thriller-Elementen in phantastischem Setting als an einen klassischen Fantasy-Roman.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: Book of Night
  • Herausgeber: Knaur
  • Erscheinungsdatum: 2. November 2022
  • Seitenzahl: 480
  • ISBN-10: 3426529459
  • ISBN-13: 978-3426529454
  • Preis: 18 €