Rezensionen im August 2023

 
Im August bin ich von Ellery Lloyd in die Welt der Reichen und Schönen entführt worden, als auf einer einsam vor der Küste gelegenen Insel die exklusivste Launch-Party des Jahres veranstaltet wurde, die jedoch blutig endete ("Der Club. Dabeisein ist tödlich"). John Ajvide Lindqvist hat mich mit seinem spannenden Auftakt zu seiner Stormland-Trilogie überzeugt, die an die Millennium-Reihe angelehnt ist und in einer wilden Hatz um die Welt führt ("Refugium"). Dagegen hat die abgründige Young Adult-Reihe um den Markt der Monster in "Wenn die Finsternis erwacht" (vorerst?) ihren Abschluss gefunden. Einmal mehr hat Rebecca Schaeffer darin ihr phantastisches Setting zum Leben erweckt und einen runden Abschluss für jeden ihrer zuvor begonnenen Handlungsstränge gefunden.


27. August 2023: Wenn die Finsternis erwacht von Rebecca Schaeffer

19. August 2023: Refugium von John Ajvide Lindqvist

13. August 2023: Der Club. Dabeisein ist tödlich von Ellery Lloyd

6. August 2023: Finsternebel von Camilla Läckberg und Henrik Fexeus

 

27. August 2023: Wenn die Finsternis erwacht von Rebecca Schaeffer

 

Stimmiger Trilogie-Abschluss um den Monster-Schwarzmarkt mit zu ausführlich geratener Einleitung

 

Nita ist immer noch auf der Flucht vor den Schwarzmarkthändlern, die in Toronto eingefallen sind. Denn sie würde ihnen tot oder lebendig viel Geld einbringen, weil sie sich selbst zu heilen vermag. So verfolgt Nita ihren eigenen Plan, indem sie den von ihr entführten Fabricio benutzen will, um die korrupte Anwaltskanzlei seines Vaters Alberto Tacunan zu infiltrieren, die alle einflussreichen Monster vertritt. Mit Hilfe der dort vorliegenden Informationen und dem Wissen um deren Geheimnisse, die Nita zu stehlen gedenkt, hofft sie derart mächtig zu werden, dass niemand mehr wagen wird ihr etwas anzutun. Erst dann wird sie vor dem Schwarzmarkt und seiner Gier in Sicherheit sein, damit sie endlich ihren Traum realisieren kann, die Universität zu besuchen und die Natur der Unnatürlichen zu studieren.

 

Zur Einordnung dieses Romans in die “Market of Monsters”-Reihe
“Wenn die Finsternis erwacht” ist nach “Bis auf die Knochen” und “Nur die Asche bleibt” der dritte Band der “Market of Monsters”-Reihe von Rebecca Schaeffer und startet genau an dem Punkt, in dem dessen Vorgänger seinen starken Abschluss gefunden hat. Nita hat in den bisherigen beiden Romanen eine beachtliche Entwicklung durchlaufen. Denn zu Beginn ist sie ein naives Mädchen gewesen, das sich in seinen Büchern vergraben hat und seiner Furcht einflößenden Mutter aus dem Weg gegangen ist. Ihre dunkle Seite hat sich lediglich in der unbändigen Freude gezeigt, die sie beim Sezieren einer Leiche empfunden hat. Zu Beginn von "Bis auf die Knochen” ist sie bei der ersten Gelegenheit von Fabricio, der der Gefangene ihrer Mutter gewesen ist, um den Finger gewickelt geworden. Fabricios Manipulationen haben dazu geführt, dass Nita ihm dabei geholfen hat zu entkommen, nur damit er sie im Anschluss daran an den Schwarzmarkt verkauft und ihr Schicksal besiegelt hat. Seitdem versucht sie ihr ruiniertes Leben wieder in Ordnung zu bringen. Mittlerweile löst die einst so zaghafte Nita, die ihrer Mutter von Tag zu Tag ähnlicher wird, Probleme vorzugsweise mit Gewalt.

 

Zur Charakterisierung der Hauptfiguren Nita und Kovit
Neben Protagonistin Nita hat Rebecca Schaeffer ihrer zweiten Hauptfigur Kovit nach und nach mehr Raum in ihrer “Market of Monsters”-Reihe gegeben, als Kovits ihn verfolgende Vergangenheit und deren Auswirkungen auf die Gegenwart in den Mittelpunkt gerückt sind. Der Zannie, dessen Mutter vor zehn Jahren ermordet wurde und zu dessen Schwester Patchaya er seitdem keinen Kontakt hatte, ist aus Mangel an Alternativen gezwungen gewesen für eine der größten Verbrecher Familien Nordamerikas zu arbeiten. In deren Auftrag hat er Menschen gefoltert, worin ihn sein sadistisch veranlagter Ziehvater Henry ausgebildet hat. Henry hat Kovit vor seinem Tod, an dem er fast zerbrochen ist, ein letztes Mal verraten, indem er ihn als Zannie enttarnt hat, um ihn auf die Liste der gefährlichen Unnatürlichen setzen zu lassen. Jeder, der auf dieser Liste steht, ist zum Abschuss freigegeben und das hat bislang keiner länger als eine Woche überlebt.

 

Zu lang geratene Einleitung, die das Tempo des Romans erst ausbremst
Anders als im unmittelbaren Vorgänger “Nur die Asche bleibt”, den Rebecca Schaeffer rasant und intensiv erzählt hat, braucht “Wenn die Finsternis erwacht” eine ganze Weile, bis die Handlung endlich in die Gänge kommt. Denn die Autorin lässt sich zu viel Zeit damit, detailliert ihre Protagonisten einzuführen und deren Vergangenheit wiederzugeben, diverse Nebenfiguren wie deren Beziehungen untereinander vorzustellen und Hintergründe des in der “Market of Monsters”-Reihe etablierten Settings zu erläutern. Da ich mich gut an die beiden bisherigen Bände erinnern konnte, hätte mir besser gefallen, wenn Rebecca Schaeffer diese Masse an Erklärungen in ein separates Personenverzeichnis und Glossar ausgelagert hätte statt diese nebenher in ihren Roman mit einfließen zu lassen, was dessen Beginn über weite Strecken nur unnötig in die Länge gezogen hat. Ein solches Personenverzeichnis hätte Nita und Kovit, zusätzlich aber auch deren Gefangene Gold, die die Erbin eines der mächtigsten Verbrecher Clans in den USA ist, Fabricio und seinen Vater sowie den Vampir Zebrastreifen, der Nitas Vater getötet hat, und viele weitere Nebenfiguren enthalten können. Ergänzt worden wäre das von einem Glossar, das Ausführungen zur INHUP, der ominösen Liste sowie zu verschiedenen Arten von Unnatürlichen etwa den sich von Schmerzen ernährenden Zannies oder Seelen fressenden Einhörner liefert. Abgerundet hätte das von einem vorangestellten Fahndungsaufruf, indem sich die von Henry der INHUP überlassenen Informationen über Kovit finden, sowie einem Schwarzmarkt-Gesuch in Steckbrief Form für die flüchtige Nita werden können.

 

Konsequente Weiterführung zuvor begonnener Handlungsstränge
Nach der zu lang geratenen Einleitung zeigt Rebecca Schaeffer eine besondere Stärke darin in den vorigen Bänden der Reihe begonnene Handlungsstränge weiterzuentwickeln, wenn sie zuvor eingeführte Nebenfiguren in die in diesem Roman erzählte Geschichte zu integrieren weiß. So tauchen etwa das Delfin Mädchen Mirella, das sich nun als Aktivistin gegen den Handel mit Unnatürlichen engagiert, nachdem sie einst zusammen mit Nita auf dem Markt gefangen gewesen ist, der von seiner Ghul-Assistentin Diana unterstützte Informationshändler Adair und Kovits Jugendfreunde auf, die er in einer Chat Gruppe kennengelernt hatte, in die sich Gold inkognito eingeschleust hatte. Auch das um den Vampir Zebrastreifen, der lt. INHUP der Mörder von Nitas Vater ist, begonnene Geschehen wird fortgeführt.

 

Unerwartete Wendungen und überzeugende, in sich schlüssige Twists
Dabei erzeugt die Autorin im weiteren Verlauf dieses Romans Spannung mehr durch dessen unerwartete Wendungen. Diese Twists sind in sich schlüssig ausgefallen, obgleich ich die teilweise als überzeugender wie beispielsweise in der Auflösung des Ursprungs um den zwischen Vampir Zebrastreifen und Nitas Eltern tobenden Konflikt und teilweise als schwächer empfunden habe. Letzteres betrifft etwa den Grund, aus dem Fabricio derart verzweifelt versucht von Zuhause fortzulaufen, obwohl er der Kronprinz des Tacunan Law-Imperiums ist. Denn die actionlastigen Szenen, in denen Kontrahenten aufeinander treffen, sind zwar gekonnt beschrieben, haben aber zu wenig Raum eingenommen. Stattdessen hat Rebecca Schaeffer den Fokus immer wieder auf Nitas und Kovits psychologisch angehauchte Diskussionen gelenkt, die sich auf ihre böse Seite, ihren Umgang mit derselben und daraus resultierende Schuldgefühle beziehen. Derartige Gedankengänge der beiden Hauptfiguren, die sich seit “Bis auf die Knochen” entwickelt haben, wenn die sich nicht mehr endlos im Kreis zu drehen scheinen, fallen jedoch im Vergleich zu den anderen wesentlichen Bestandteilen dieses Romans deutlich ab. Diese bestehen neben dem interessanten Setting, das die Autorin für ihre phantastische Welt ersonnen hat, die sie mit ungewöhnlichen Unnatürlichen bevölkert und um korrupte Organisationen wie die INHUP anreichert, aus den von Nita geschmiedeten und umgesetzten Plänen.
Das Finale von "Wenn die Finsternis erwacht" rundet die den abgründigen Schwarzmarkt in seinen Mittelpunkt stellende Trilogie in stimmiger Weise ab. Da sich das Ende für mich weniger wie ein absoluter Schlussstrich, sondern eher wie der Beginn einer Reise angefühlt hat, hoffe ich aber, dass Rebecca Schaeffer diese Reihe in Zukunft fortsetzen wird, um Nitas weiteren Werdegang zu beschreiben.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: When Villains Rise
  • Herausgeber: Piper
  • Erscheinungsdatum: 1. Juni 2023
  • Seitenzahl: 416
  • ISBN-10: 3492706932
  • ISBN-13: 978-3492706933
  • Preis: 17 €

Market of Monsters-Reihe:

  • Band 1: Bis auf die Knochen
  • Band 2: Nur die Asche bleibt
  • Band 3: Wenn die Finsternis erwacht

 

19. August 2023: Refugium von John Ajvide Lindqvist

 

Gelungener Trilogie Auftakt um eine international angelegte Verschwörung

 

Inhalt: Olof Helander gibt in seinem luxuriösen Anwesen im Schärengarten, das von seinem Handel mit Emissionsrechten finanziert worden ist, ein Mittsommer-Fest für wenige ausgewählte Gäste. Dazu zählt der chinesische Geschäftsmann Chen Bao, der ebenfalls in der Klimabranche tätig ist. Helanders vierzehnjährige Tochter Astrid ist nur widerwillig auf der Feier anwesend, um die Familie zu repräsentieren. Aber dann nehmen die Ereignisse eine unerwartete Wendung und Kommissar Johnny Munther hat an der Seite seiner Partnerin Carmen Sanchez in einem brutalen Mordfall zu ermitteln.

 

Zur Charakterisierung der beiden Hauptfiguren Julia und Kim
John Ajvide Lindqvist hat mit seinem vorangestellten Prolog, der zeitlich im Mittsommer 2019 angesiedelt ist, einen starken Einstieg in seinen Thriller gefunden, indem die Spannungskurve darin nach nur wenigen Seiten von Null auf 100 hochgeschnellt ist. Die eigentliche Handlung von Refugium setzt dann fünf Monate zuvor im Januar 2019 ein und führt im ersten Teil, der den Titel “Julia und Kim” trägt, die beiden Protagonisten ein.
Julia Malmros, die Anfang fünfzig ist, ist früher Kommissarin gewesen so wie bereits ihr nun an Demenz erkrankter Vater Polizist gewesen ist. Aus dem Dienst ist sie vor Jahren ausgeschieden, seit sie von den von ihr verfassten Kriminalromanen, die um Asa Fors kreisen, leben kann. Mittlerweile ist sie als Schriftstellerin derart erfolgreich, dass ihre Krimis als Serie verfilmt werden und ihr die Ehre zugestanden wird, eine Fortsetzung für die Millennium-Reihe um Journalist Michael Blomkvist und Hackerin Lisbeth Salander zu schreiben. Im Zuge ihrer Recherche wird für Julia vom Verlag der Kontakt zum Cracker Kim Ribbing hergestellt, der ihr das Basiswissen vermittelt, damit sie im Entwurf ihres Romans die Aktionen von Salander glaubwürdig wiedergeben kann.
Kim, der Ende zwanzig ist, fällt durch seine äußere Erscheinung auf. Dessen ehemals blondes Haar ist lang gewachsen und schwarz gefärbt. Seine Statur ist beinahe zierlich, aber vom Turnen durchtrainiert und seine Haut ist von unzähligen Narben überzogen, die Zeugnis ablegen für die Folter, deren Opfer er in jungen Jahren geworden ist. Dabei wird Kims ihn noch heute belastende Vergangenheit erst nach und nach enthüllt.

 

Abwechslungsreiche Erzählweise auch aus Sicht wesentlicher Nebenfiguren
Neben der Perspektive von Julia und Kim werden einzelne Abschnitte aus Sicht von Astrid, der traumatisierten Zeugin des im Prolog erfolgenden Massakers, sowie von den in diesem Fall ermittelnden Polizisten Johnny, der sich durch seine penible Arbeitsweise auszeichnet, und seiner so cleveren wie sympathischen Partnerin im Job Carmen geschildert. Astrid, die sich in den sozialen Medien gegen die Massentierhaltung engagiert, ist ihren Eltern gegenüber ein rebellischer Teenager gewesen und hat ihre Ich-Bezogenheit herausgestellt, als sie mit den Gefühlen eines nerdigen Verehrers gespielt hat. Johnny, der Julias Ex-Mann ist, hat deren Scheidung nicht verwunden, wenn er jeden Vorwand dazu nutzt, sie zu kontaktieren, um sie zu einem Treffen zu überreden.

 

Zum grundlegenden Aufbau des Romans in Anlehnung an die Millennium-Reihe

Der grundlegende Aufbau von Refugium ließe sich als Variante eines Millennium-Romans beschreiben, bei dem die Geschlechter der beiden Hauptfiguren vertauscht worden sind. Kim übernimmt damit die Rolle von Salander und Julia die von Blomkvist. Auch kommen die beiden durch diverse Zufälle bedingt einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur. Diese Parallelen greift Lindqvist jedoch selbst in einer geschickt in diesen Thriller integrierten Meta-Ebene auf, indem Julia einen neuen Millennium-Roman mit Arbeitstitel Stormland verfasst. Darin versucht sie die genannte Idee umzusetzen, um ihr Werk veröffentlichen zu können, ohne dass die Rechte der Millennium-Reihe dabei verletzt werden.
Zudem wird die im weiteren Verlauf der Handlung von Refugium am Rande eingebundene Me-Too Geschichte, die aufgrund der vertauschten Rollen irritierend auf mich wirkte, bereits zuvor angedeutet. Denn Julia hat eine ebensolche für ihr Buch Stormland geschrieben, die sogar von ihrer kritisch eingestellten Lektorin positiv hervorgehoben wird. Was den Humor betrifft, haben mich gerade die Abschnitte, die rund um das Verlagswesen kreisen, überzeugt. Dazu zählen Julias konfrontatives Aufeinandertreffen mit ihrer neuen Lektorin, das sich daran anschließende Interview, das Julia im Fernsehen gibt, und die daraus resultierenden Ereignisse, die Julia zur Schlagzeile des Tages werden lassen. Mit dem satirisch scharfen Blick, den Lindqvist auf den Literaturbetrieb wirft, trifft er ins Schwarze.

 

Humorvolle Szenen treffen auf brutale Massaker und traumatisierende Vergangenheit
Abgesehen davon habe ich die in Refugium vorherrschende Stimmung, die trotz der expliziten sexuellen und teilweise recht grausamen Szenen eher humorvoll geraten ist und sich damit deutlich vom düsteren Ton der Vorlage abhebt, als wenig passend empfunden. Denn diese wollte sich für mich vor dem Hintergrund des eingangs geschilderten brutalen Massakers und anderer Straftaten aus Kims Jugend, aber auch aus seinen aktuellen Projekten, die vor Gewalt gegen Kinder nicht zurückschrecken, nicht zu einem stimmigen Ganzen fügen.
Ebenfalls hat für mich die Chemie zwischen Julia und Kim nicht gestimmt, die nicht mehr als deren Bettgeschichte zu verbinden scheint. Das mag bei Kim wegen seiner schwierigen Vergangenheit nachvollziehbar gewesen sein, ist für mich aber in der Charakterisierung von Julia unglaubwürdig gewesen, wenn sie als erfahrene Frau eine ihrem Alter angemessene Reife missen ließ und sich in Kims Gegenwart noch kindischer als er verhalten hat.

 

Kleine Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge
Ein zusätzlicher Kritikpunkt, der dem Autor wohl selbst aufgefallen ist, weil er diesen Julia an ihrem Roman Stormland bemerken lässt, ist die Häufung von Zufällen durch die die eigentliche Handlung dieses Thrillers überhaupt erst in Gang gesetzt und dann weiter am Laufen gehalten wird. Dazu zählen die Verbindung von Julia zum Fall Hellander, dem ihr Ex-Mann zugeteilt ist, ihre persönliche Beziehung zum Opfer, ein alter Fall aus Julias Zeit als Polizistin, der in die aktuelle Ermittlung hineinspielt, ein über die Recherche für ihren zweiten Asa Fors-Roman hergestellter Kontakt sowie der gleiche Therapeut, der Astrid und Kim nach ihren traumatischen Erlebnissen behandeln soll. Für mich ist das ab einem gewissen Punkt dann doch der eine Zufall zu viel gewesen.
Dieser Thriller hätte stärker ausfallen können, wenn Lindqvist sich gerade im Kontext der von ihm inszenierten, sich auf internationalen Niveau bewegenden Verschwörung, die nach und nach aufgedeckt wird, nicht derart stark auf seine beiden Protagonisten fokussiert hätte. Stattdessen hätte er sich auf ein breiteres Figurenarsenal stützen können, so dass sich die hohe Zahl an Zufällen nicht auf Julia und Kim hätten konzentrieren müssen. Dadurch hätte sich Refugium auch deutlicher von der Millennium-Reihe abgrenzen können.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: Skriften i vattnet
  • Herausgeber: dtv
  • Erscheinungsdatum: 4. Juli 2023
  • Seitenzahl: 528
  • ISBN-10: 3423283645
  • ISBN-13:  978-3423283649
  • Preis: 24 €

Stormland-Trilogie:

  • Band 1: Refugium
  • Band 2: Signum
  • Band 3: Elysium

 

13. August 2023: Der Club. Dabeisein ist tödlich von Ellery Lloyd


Intensiv erzähltes Krimi-Drama um Geheimnisse in der Welt der Reichen und Schönen

Inhalt: Vor der britischen Küste liegt eine derart abgeschiedene Insel, dass die sich mit dem Auto nur bei Ebbe über eine gewundene Straße, die dann aus den Fluten auftaucht, erreichen lässt. Dort steigt das große Launch Event, das drei Tage andauern soll, anlässlich der Feier zur Neueröffnung des kostspieligsten Clubs in der Geschichte von Home. Dabei wurde das weitläufige Areal der Insel in Island Home verwandelt, das nun den Mitgliedern von Home für einen luxuriösen Aufenthalt, der absolute Privatsphäre garantiert, zur Verfügung steht. Dazu zählen berühmte Schauspieler, bekannte Regisseure und durch den Verkauf ihrer Werke reich gewordene Künstler. Doch die Ereignisse überschlagen sich am letzten Morgen, als beim Frühstück im Unterwasser gelegenen Restaurant ein versunkener Land Rover bemerkt wird. Erst wird der von den Anwesenden für einen aufwendigen Marketing Coup gehalten, bis dann die Leiche darin entdeckt wird.

 

Zur Charakterisierung der fünf Hauptfiguren, aus deren Sicht das Buch geschildert wird
“Der Club” wird vom Autoren-Ehepaar Collette Lyons und Paul Vlitos, das sich hinter dem Pseudonym Ellery Lloyd verbirgt, abgesehen von einem vorangestellten “Vorspann” aus fünf verschiedenen, einander abwechselnden Perspektiven erzählt. Diese umfassen die Sichtweise von Jess Wilson, der neuen Head of Housekeeping auf Island Home, von Annie Spark, der Head of Membership bei Home, von Nikki Hayes, der persönlichen Assistentin von Home-Group-Ceo Ned Groom, sowie von Adam Groom, der Neds Bruder und Miteigentümer von Home ist. Dabei erzielt "Der Club" in seiner Konzentration auf eine Handlung, die sich innerhalb weniger Tage und auf einer von der Außenwelt abgeschnittenen Insel abspielt, eine beinahe kammerspielartige Wirkung. Zusätzlich erfolgt am Kapitelende eine zeitlich später angesiedelte Berichterstattung in der Vanity Fair, die Einblicke in die dramatischen Ereignisse liefert, die das Launch Wochenende noch erschüttern werden.
Obgleich Jess über umfassende Erfahrung in der Hotellerie verfügt, verunsichern sie ihre neue Aufgabe und die Herausforderungen, die damit auf sie zukommen werden. Erst kurz vor dem Launch Event ist sie eingestellt worden, nachdem Ned die vorige Head of Housekeeping gefeuert hat. Weil Jess sich wiederholt auf verschiedene Positionen in den Clubs der Home Group beworben hat, zuvor aber stets abgelehnt worden ist, kann sie kaum fassen, dass ihre Bemühungen dieses Mal von Erfolg gekrönt gewesen sind. Denn schon allzu lang wartet sie auf diese Gelegenheit. Annie fällt durch ihren extravaganten Kleidungsstil auf, der von Outfits in extremen Farben geprägt ist, die eher an einen Zirkus erinnern als zum exklusiven Ambiente von Home passen. In ihren ausgefallenen Looks ist Annie für alle Home Member bereits von weitem leicht identifizierbar und in einer Menschenmenge schnell auffindbar. So unterstützten sie ihre Outfits in ihrem Job, der daraus besteht, immer ein offenes Ohr für die Sorgen wie Nöte der Home Member zu haben und deren Wünsche zu erfüllen. Um auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Mitglieds eingehen zu können, muss sie über deren Lebensumstände Bescheid wissen. Zudem entscheidet Annie darüber, wer in den exklusiven Home Club aufgenommen wird und wer auf dessen Warteliste landet.
Solange wie Nikki haben das nur Annie und Adam mit Ned ausgehalten. Dabei hat sich Nikki in den fünfundzwanzig Jahren, die sie nun bei Home ist, von der kleinen Garderobenfrau zur persönlichen Assistentin des Chefs hochgearbeitet. Zu ihren Aufgaben gehört es ihren Boss, dem sie stets zur Seite zu stehen hat, über alle wichtigen Entwicklungen wie insbesondere aktuelle Berichte in der Presse zu informieren. Nikkis ambivalentes Verhältnis zu Ned schwankt mit dessen Stimmungen, die von seinen legendären Wutausbrüchen bis hin zu seiner Großzügigkeit in Gestalt von Bonuszahlungen und Geschenken reichen. Adam hat zwar gemeinsam mit Ned das Unternehmen Home von seinem Großvater geerbt, obgleich sein Anteil daran deutlich geringer ausgefallen ist. Dennoch setzt ihn Ned im besten Fall als Laufbursche, der alle Termine wahrzunehmen hat, zu denen sein großer Bruder nicht zu erscheinen gedenkt, im schlimmsten Fall als Prügelknabe ein. So wird Adam etwa von Ned zu der Auseinandersetzung mit der wütenden einheimischen Dorfbevölkerung geschickt, die sich von Anfang an gegen den Umbau der im Verfallen begriffenen Insel in ein luxuriöses Resort gesperrt hat.

 

Vom Leben im Umfeld der Reichen, Schönen und Berühmten

Damit hat Ellery Lloyd einen interessanten Blickwinkel gefunden, aus dem die - abgesehen von den zeitlich später angesiedelten Einschüben, die Andeutungen auf den weiteren Verlauf der Handlung liefern - erst wenig an einen Kriminalroman erinnernde Geschichte erzählt wird. Denn der gewählte Standpunkt ist einer aus dem Schatten heraus, wenn die Perspektive des Housekeeping oder der persönlichen Assistentin wiedergegeben wird. Diese sind einerseits ganz nah dran an den Reichen und Berühmten, bleiben andererseits aber außen vor, indem deren Anwesenheit übersehen oder die ihnen eigentlich zustehende Bedeutung nicht beigemessen wird. Auch Adam, der an diesem Wochenende kündigen und sich auszahlen lassen will, um endlich aus dem Unternehmen auszuscheiden, ist neben seinem schillernden Bruder Ned unsichtbar.

 

Licht und Schatten in der Beschreibung der Nebenfiguren ...
Zu einem exklusiven Abendessen vor der offiziellen Eröffnung von Home Island, zu der die übrigen auserkorenen Home Member anreisen werden, sind der berühmte Schauspieler Jackson Crane und seine Frau Georgia, der gefragte Late-Night-Talkmaster Freddie Hunter, Wunderkind und Filmproduzent Kurt Cox, der der Sohn der Schauspiel- und Regie-Legende Ron Cox ist, sowie der Künstler Keith Little von Ned eingeladen worden. Damit fällt das für "den Club" relevante Figurenarsenal ziemlich umfangreich aus. Da ist es mir gerade zu Beginn nicht leicht gefallen den Überblick darüber zu behalten.

 

Gekrönt von einer gelungenen Charakterisierung des charismatischen Home-Ceo Ned

Das lag primär darin begründet, dass die zum Dinner geladenen Gäste in ihrer recht eindimensional geratenen Charakterisierung neben Home-Ceo Ned blass und austauschbar geblieben sind. Dafür überzeugen die Autoren mit ihrer Figurenzeichnung von Ned, der im Zentrum dieses Romans steht. Dazu trägt Neds narzisstische Seite bei, die ihn niemanden neben sich im Mittelpunkt dulden lässt, so dass ihm keiner das Rampenlicht stehlen kann. Vorgestellt wird er bei einem total überzogenen Wutausbruch dem Design Team von Home Island gegenüber. Neds Art sein Unternehmen führen, ist zwar von visionären Ansätzen und genialen Ideen, aber auch von einem extrem hohen Mitarbeiter Verschleiß geprägt. Bevor er Home geerbt hat, ist er ein erfolgreicher Anwalt gewesen, der leicht Verbindungen zu anderen aufbauen und jeden mit seinem Charme um den Finger wickeln konnte. Ned liebt es seine Spiele mit seinem Umfeld zu treiben und Macht auszuüben, so dass er viele vor den Kopf stößt oder sich sogar zu Feinden macht, wenn bei ihm der Zweck die Mittel heiligt.

 

Ein intensiv erzähltes Krimi-Drama mit Schwächen
"Der Club" hat mich als eindringlich geschildertes Drama überzeugt, das seine Intensität aus der Wiedergabe der Gedankengänge der Opfer gewinnt. Die Schilderung der traumatischen Erfahrungen, die sie zu erleiden hatten, habe ich als glaubwürdig empfunden. So sind die teils drastischen Handlungen, zu denen sie sich entschieden haben, um Rache an ihren Peinigern zu nehmen, für mich nachvollziehbar geworden.
Schwächen hat "Der Club" dagegen in den zu einseitig angelegten Figuren der Antagonisten gezeigt. Da hätte dem Roman gut getan, wenn deren Charakterisierung vielschichtiger geraten wäre. Denn Ellery Lloyd hat die kleine, letzten Endes klar in gut und böse unterteilte Home Island Welt oft insgesamt zu einfach gehalten. Auch verzichten die Autoren nach dem starken Prolog auf actiongeladene Szenen, die das Adrenalin hochtreiben. Dabei hätte die an sich im Roman erzählte Geschichte, die einen Vermisstenfall und mehr als nur einen Mordversuch resp. Mord umfasst, reichlich Gelegenheit dazu geboten. Spannender wäre "Der Club" ausgefallen, wenn sich die Autoren nicht ausschließlich auf die Geheimnisse, die quasi jeder der auf Home Island Anwesenden hütet und die erst nach und nach enthüllt werden, konzentriert hätten.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: The Club
  • Herausgeber: Knaur
  • Erscheinungsdatum: 1. Juni 2023
  • Seitenzahl: 384
  • ISBN-10: 3426227223
  • ISBN-13: 978-3426227220
  • Preis: 16,99 €

 

6. August 2023: Finsternebel von Camilla Läckberg und Henrik Fexeus

 

Wenig für den Einstieg in die Reihe geeigneter 2. Fall von Walder und der neurotischen Dabiri

 

Als Fredrik Walthersson an einem heißen Sommertag seinen fünf Jahre alten Sohn Ossian von einem Ausflug im Park, den sie von dessen Kita aus organisiert haben, abholen will, schickt Betreuer Tom ihn erst zu den Schaukeln und im Anschluss daran nach drinnen. Denn Ossian sei bestimmt nur kurz für eine Toilettenpause vom Spielen mit rein gegangen. Frederiks allmählich aufkommendes ungutes Bauchgefühl schiebt er beiseite. Aber sein Sohn ist weiterhin unauffindbar und niemand weiß etwas über dessen Verbleib, bis seine Freundin Felicia enthüllt, dass Ossian zu der blöden Frau ins Auto gestiegen ist. Dann ist die Fremde mit ihm weggefahren, nachdem sie ihn mit der Aussicht auf Rennautos, für die er sich begeistern kann, und Hundewelpen fortgelockt hat.

 

Mitglieder von Minas Arbeitsgruppe bei der Polizei
“Finsternebel” ist nach “Schwarzlicht” der zweite Fall für Polizistin Mina Dabiri und Mentalisten Vincent Walder, der zeitlich zwei Jahre nach dem ersten spielt. Abwechslungsreich wird dieser Krimi von Läckberg und Fexeus aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Dazu zählen neben der eingangs geschilderten Sichtweise von Vater Fredrik, der die Entführung seines Sohns realisieren muss, auch die der Protagonisten Walder, Dabiri sowie weiterer Mitglieder ihres Teams. Minas Arbeitsgruppe bei der Polizei besteht aus ihrer Chefin Julia, deren Elternzeit gerade zu Ende gegangen ist, nachdem sie vor sechs Monaten Mutter geworden ist, dem ehemaligen Frauenhelden Ruben, der sich seit einem Jahr mit Hilfe von seiner Therapeutin um Besserung bemüht, dem penibel arbeitenden Vollblutvater Peder, der am liebsten über seine Drillinge spricht und allen goldige Videos von diesen zeigt, Urgestein Christer, der stets für Recherche Aufgaben wie das Durchforsten von Datenbanken eingeteilt wird und die Hintergrundarbeit vom Revier aus an der Seite seines Hundes Bosse erledigt, sowie Neuzugang Adam Blom, der durch sein Selbstbewusstsein auffällt und von den Verhandlern ins Team gewechselt ist. Im weiteren Verlauf dieses Krimis kommen zusätzliche Perspektiven hinzu wie die von einer erfolgreichen Bankerin, die sich den Frust über die Affäre ihres Ehemanns mit einer nigerianischen Prinzessin von der Seele joggt, bis sie zur Zeugin wird, als sie einen grausigen Fund beim Segelschiff af Chapman machen muss.

 

Zur Charakterisierung der Hauptfiguren Walder und Dabiri
Ohne “Schwarzlicht” zu kennen, habe ich den Einstieg in “Finsternebel” als wenig gelungen empfunden. Denn einerseits erzählen Läckberg und Fexeus einiges über den im Vorgänger behandelten Fall, so dass die Reihe unbedingt in der richtigen Reihenfolge gelesen werden sollte. Sonst ist nach der Lektüre von “Finsternebel” zu viel über die Auflösung von “Schwarzlicht” verraten worden. Andererseits gewinnen Mina und Vincent durch diese ausführlich geratene Einleitung nicht an Profil, obwohl der im ersten Band der Reihe geschilderte Fall derart persönlich ausgefallen ist, da der Täter mit Vincents Vergangenheit verbunden ist. In Minas Figurenzeichnung stechen die von ihr gepflegten Neurosen hervor, die selbst dann oft ihre Gedankengänge beherrschen, wenn sie ihre volle Aufmerksamkeit auf ihren aktuellen Fall richten sollte. Dass ihre Spleens derart präsent sind, als sie auf der Suche nach einem entführten Kind ist, ist für mich wenig nachvollziehbar gewesen. Minas Alltag ist von ihrer Angst vor Keimen geprägt. Im Fitnessstudio, bei dessen Besuch sie vorgestellt wird, verbringt sie ihre Zeit mehr mit Putzen als mit Trainieren. Seltsam distanziert wirkte sie auf mich, indem sie meist Einsamkeit sozialer Interaktion vorgezogen hat, die sie außerhalb ihrer Arbeit auf ein absolutes Minimum beschränkt hat. Unnahbar ist sie geblieben, weil sie abgesehen von Vincent niemanden - und damit auch nicht mich als Leser - an sich heran gelassen hat. In seinem ersten Kapitel wird Vincents neue Show beschrieben, mit der er gerade auf Tournee ist. Die Tricks, die er dabei präsentiert, um sein Publikum zu schockieren, sind zwar nicht schlecht. Wenn ich diese Show aber etwa dem ersten Auftritt von Mentalist Patrick Jane in der gleichnamigen Fernsehserie gegenüberstelle, ist Vincent im Vergleich dazu blass geblieben. Da sind bei mir wohl durch die Angabe, dass Walder als Mentalist kein Profiler wie viele andere ist, Erwartungshaltungen geschürt worden, die die Autoren in diesem Krimi nicht einzuhalten vermochten.

 

Stärken und Schwächen in der Bescheibung der Figuren zueinander
In "Finsternebel" schwankt die Qualität der Figurenzeichnung enorm. Gelungen ist beispielsweise Vincents Agent Umberto, der es mit seinem italienischen Temperament und einer geraden Anzahl von Punschrollen schafft Vincent einen Fernsehauftritt bei Fort Boyard unterzujubeln. Zwischenmenschliche Beziehungen werden gekonnt zwischen Ruben und seiner Psychotherapeutin Amanda während seiner Sitzungen oder mit mehr emotionalem Tiefgang zwischen Adam und seiner Mutter bei ihrem Krankenhausbesuch beschrieben. Nur fällt eben die Charakterisierung der Protagonisten Dabiri und Walter, zu denen ich nur schwer einen Zugang finden konnte, recht schwach aus. Denn auch Vincent neigt zu zwanghaftem Verhalten, das ihn etwa ungerade Zahlen, die er als Unordnung empfindet, nicht ertragen und abwegige, nur in seinen Gedankengängen vorhandene Zusammenhänge herstellen lässt. Mit diesen Ticks versucht er seine in ihm schlummernde dunkle Seite in Schach zu halten. Insgesamt ist die Figurenzeichnung von Vincent inkonsistent geraten, weil er Mentalist und Profiler ist, obwohl Menschen ein Buch mit sieben Siegeln für ihn sind. Im Zuge sozialer Interaktion wird er oft mit dem Rätsel konfrontiert, das andere für ihn bedeuten, da er weder versteht, was sie ihm sagen wollen, noch welche Reaktion sie von ihm erwarten. Dementsprechend wenig ist er dem Drama bei sich Zuhause gewachsen, wenn beispielsweise die siebzehnjährige Rebecka dem jungen Aston vorwirft, die leere Milchtüte in den Kühlschrank zurückgestellt zu haben, und dabei auf Vincents Frau Maria trifft, die die Küche in ein Lager für ihren Online-Shop verwandelt hat. Minas Verhalten schwankt von unsympathischen Zügen in ihrem Umgang mit Tieren wie Bürohund Bosse oder dem erbarmungslosen Zerquetschen einer Wespe, bei dem der für sie entscheidende Punkt ist, dass sie dafür ein Feuchttuch zur Hand hat, bis hin zu irritierenden Szenen, indem sie sich nach dem Weinen aus Angst vor der unhygienischen Natur von Tränen Wangen und Augen mit Desinfektionsmittel auswäscht. Schlecht nachvollziehbar sind auch Minas Gespräche mit anderen für mich gewesen, wenn sie ihrem gutaussehenden Gegenüber erst vorwirft, eine Sekte zu leiten, um als nächsten ihrer Sätze nachzuschieben, dass es doch gar keine Sekten in Schweden gibt.

 

Auf einen starken Einstieg folgt eine eher laue Fortsetzung
"Finsternebel" beginnt stark, da das erste Kapitel mit einem Paukenschlag endet, als Vater Frederik die Entführung seines Sohns Ossian realisieren muss. Denn es gibt kaum ein schlimmeres Verbrechen als die Entführung eines kleinen Kindes. Über die Integration von Neuzugang Adam in das Team wird dann die Verbindung zu einer Verbrechensserie hergestellt. Denn im Jahr zuvor ist die Leiche der ebenfalls erst fünf Jahre alte Lily Meyer an einem Bootssteg aufgefunden worden, nachdem sie drei Tage zuvor spurlos verschwunden ist. Abgesehen von einem spannenden Einsatz, bei dem Ruben sein gutes Bauchgefühl und Adam sein Geschick als Verhandlungsführer unter Beweis stellen darf, wird in "Finsternebel" der Fokus auf die falschen Punkte gelenkt, wenn die darin erzählte Geschichte eher ein Plädoyer für den Einsatz von Feuchttüchern und Desinfektionsmittel sowie für die zwischen Vater und Mutter gleichberechtigt aufzuteilenden Pflichten im Haushalt darstellt. Im Anschluss an den gelungenen Einstieg plätschert die Handlung trotz des an sich abgründigen Falls, um den dieser Krimi kreist, zunächst über weite Strecken vor sich hin. Das liegt wohl primär im allzu jungen Alter der Opfer begründet. Prinzipiell sind die erst wiederholt eingeschobenen, in kursiv gedruckten Abschnitte, die aus Sicht von Ossian nach seiner Entführung geschildert werden, ein interessanter Ansatz. Indem sich Läckberg und Fexeus jedoch vor expliziten Szenen, ob in blutiger oder brutaler Hinsicht, scheuen und es bei harmlos kindischen Gedankengängen des weinenden Ossian, der nicht bei den Fremden mit den unnetten Augen bleiben mag, belassen, bremsen sie die Spannung aus.

 

Kleiner Kritikpunkt und diesbezüglicher Verbesserungsvorschlag

Zudem hätte ich als hilfreich angesehen, wenn in separaten Anhängen weitergehende Informationen zu den in "Finsternebel" nur als Schlagwort erwähnten True-Crime Fällen (u.a. Sekte Knutby, Kindermörder Ulf Olsson und Anders Eklund) zur Verfügung gestellt worden wären. Diese mögen zwar jedem in Schweden bekannt sein, sind aber außerhalb von Skandinavien bei weitem nicht derart geläufig, dass das Wissen darum in einem Krimi als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.

 

3 Sterne ***

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: Kult
  • Herausgeber: Knaur
  • Erscheinungsdatum: 1. Juni 2023
  • Seitenzahl: 704
  • ISBN-10: 3426227630
  • ISBN-13: 978-3426227633
  • Preis: 21 €

Dabiri-Walder-Reihe:

  • Band 1: Schwarzlicht
  • Band 2: Finsternebel