Seventeen von John Brownlow


Schwarzhumoriges Debüt rund um Auftragsmörder und Spione mit Anleihen bei John Wick und Mission Impossible

 

Inhalt: Jones, besser bekannt als Seventeen, ist der beste Auftragskiller der Welt, den man für Geld kaufen kann. Als er den Tag entspannt in Berlin ausklingen lassen will, nachdem er gerade einen Job abgeschlossen hat, erreicht ihn der Anruf seines Vermittlers Handler, dass er unmittelbar im Anschluss einen weiteren Auftrag ausführen soll. Seventeen, der immer noch die Verkleidung trägt, in der er vom letzten Tatort entkommen ist, will ablehnen, da ihm die Möglichkeit fehlt sich mit neuem Equipment einzudecken oder auch nur umzuziehen. Doch Handler lockt ihn mit einem äußerst großzügigen Honorar. Und so sucht Seventeen eine Übergabe unter Spionen zu infiltrieren, die ganz old school als sog. Brush Pass erfolgen soll. Dabei sind sein Ziel der Empfänger und die von diesem übernommene Ware, ohne dass er weiß, wer der Mann ist, was das Übergabeobjekt ist und wo diese Übergabe überhaupt stattfinden soll.

 

Protagonist Jones aka Seventeen und seine Arbeitsweise
Protagonist Jones aka Seventeen, der von John Brownlow während eines Auftrags in Berlin vorgestellt wird, ist ein von sich überzeugtes Arschloch, das das selbst auch gar nicht in Frage stellt. Seine Gedankengänge sind geprägt von seiner derben Sprache und triefen von schwarzem Humor. Seventeen, der seinen Job wie kaum ein anderer beherrscht, zeigt seit neuestem erste Anzeichen dafür ein Gewissen zu entwickeln. So verfolgen ihn Bilder von seinen Aufträgen in Berlin, die er nicht ganz aus dem Kopf zu bekommen vermag.
Zu Beginn haben mich zwar die spannenden, da actiongeladenen Szenen überzeugt, die John Brownlow rasant erzählt, mit unerwarteten Momenten gespickt und denen er durch Seventeens eigenwillige Sichtweise einen besonderen Touch gegeben hat. Doch ist es mir schwer gefallen einen Zugang zu Jones aka Seventeen zu finden, der mir fremd geblieben ist, obwohl ich eigentlich ganz nah dran an ihm hätte sein sollen, weil der Roman in dessen ersten Teilen ausschließlich aus seiner Perspektive geschildert ist. So habe ich viel über die Art und Weise erfahren, in der er seine Aufträge ausführt, wenn er mit den ausgeklügelten Methoden und Tricks (u.a. Unsichtbarkeit durch extreme Sichtbarkeit) angibt, auf die er dabei zurückgreift. Interessanter wäre jedoch gewesen, wenn ich Seventeens moralische Zwickmühle, in die sein aufkeimendes Gewissen den abgebrühten Auftragsmörder stürzt, hätte nachempfinden können. Und auch die Angst, mit der der draufgängerische Seventeen konfrontiert wird, als er sich seinem legendären Vorgänger Sixteen und damit dem einzigen, das er zu fürchten hat, stellen soll, ist seltsam abstrakt geblieben.

 

Erst schwieriger Zugang zur Hauptfigur, bis seine Lebensgeschichte enthüllt wird
Einen Zugang zur Hauptfigur habe ich erst bekommen, als John Brownlow im weiteren Verlauf dieses Romans nach und nach die Lebensgeschichte von Seventeen enthüllt hat, die in seiner schweren, von Armut gezeichneten Kindheit beginnt. Da gibt es nur ihn und seine Mutter Junebug, die selbst mit ihrer traumatischen Vergangenheit zu kämpfen hat. Trotz der schwierigen Verhältnisse, in denen die beiden leben, ist Junebug bemüht, für ihren Sohn zu tun, was sie kann. Als Seventeen seine Mutter zu früh verliert, gerät er auf die schiefe Bahn, um noch mehr Leid ertragen zu müssen, bis er endlich den Punkt erreicht, an dem er zum ersten Mal zurückschlägt. Indem er Rache nimmt an seinen Peinigern und denen seiner Mutter, schwört er sich, nie wieder als Opfer angesehen zu werden. Insgesamt hat John Brownlow die Entwicklung, in der der kleine, verängstigte Junge zum gefürchteten Auftragsmörder Seventeen geworden ist, für mich nachvollziehbar werden lassen.

 

Kunstfertiger Schreibstil, um Schwächen im Spannungsaufbau zu kaschieren

Prinzipiell mag ich ungewöhnliche Schreibstile gern, die etwa zwischen verschiedenen, ineinander verschachtelten Zeitebenen hin und her springen. John Brownlow lässt zwar gekonnt erzählt die Vergangenheit von Seventeen wiederholt in gegenwärtige Ereignisse einfließen, wenn er beispielsweise zwischen den heruntergezählten Sekunden vor einem schwierigen Schuss und Szenen aus Seventeens Jungend wechselt. Insgesamt schien mir der Autor jedoch mit diesem von ihm beherrschten Schreibstil, der mehr um seiner selbst willen erfolgt, statt das dadurch die Spannung in diesem Roman hochgetrieben werden würde, seine Kunstfertigkeit demonstrieren zu wollen. Abgesehen von der eben erwähnten Szene mit dem Schuss wurden die Einschübe aus vergangenen Zeiten vom Autor meist als Stilmittel verwandt, um Passagen in der Gegenwart, in denen sonst wenig passiert wäre, zu kaschieren.

 

Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge
Besser hätte mir das Buch gefallen, wenn John Brownlow höchstens in einem vorangestellten Prolog, indem er einen Job von Seventeen in Berlin oder einen seiner vielen anderen Aufträge beschreibt, von der chronologischen Erzählweise seiner Geschichte abgewichen wäre. D.h. der Autor hätte mit Seventeens Kindheit bei Junebug begonnen, um mit seiner ihn traumatisierenden Jugend fortzufahren, bis er dann zum ersten Mal nicht mehr einstecken muss, sondern zurückschlägt und den darauf folgenden, von ihm getroffenen Entscheidungen, die seinen Werdegang bestimmen. Damit wäre der Roman stärker ausgefallen, weil ich von Anfang an eine Beziehung zur Hauptfigur hätte aufbauen können, deren Lebensweg für mich so nachvollziehbar gewesen wäre. Wenn der Autor mit der Schilderung der Ereignisse in der Gegenwart angekommen wäre, hätten konsequent Längen herausgekürzt und Szenen mit blassen Nebenfiguren auf das Wesentliche reduziert werden müssen. So hätte nach der Schilderung von Seventeens Kindheit und Jugend, die mehr Drama als Thriller ist, die Spannung in diesem Roman bis zu dessen Finale weiter angezogen werden können. Und sofern dieser stringente Aufbau für das schriftstellerische, als Autor von Drehbüchern geschulte Können von John Brownlow zu simpel gewesen wäre, hätte er stattdessen parallel die Lebensgeschichte von Seventeen und seinem Vorgänger Sixteen auf zwei unterschiedlich schnell verlaufenden Zeitachsen erzählen können.

 

Intensives Duell im Aufeinandertreffen von Seventeen und seinem Vorgänger
John Brownlow punktet mit der interessanten Lebensgeschichte von Seventeen, seinen spannenden Aufträgen und einzigartigen Fähigkeiten, die im Rahmen der von ihm ausgeführten Jobs zum Tragen kommen. Besonders gut kommen letztere im Aufeinandertreffen von Seventeen und seinem ihm überlegenen Vorgänger Sixteen zur Geltung. Dieses Duell erinnerte mich an das Finale des Films Fallout, indem Ethan Hunt August Walker aka John Lark zur Strecke bringt. Anders als in diesem Teil der Mission Impossible-Reihe sind bei John Brownlow die Sympathien nicht so eindeutig verteilt, da Sixteen und Seventeen, die sich so sehr ähneln, dass sie derselbe Typ in einer jüngeren und älteren Version zu sein scheinen, sich nicht in gut und böse unterscheiden lassen.
Der Roman scheitert jedoch am Versuch ein übergeordnetes Auftragsmörder-Universum zu etablieren, wie das etwa die John Wick-Welt prägt. Die Ansätze dafür sind zwar vorhanden, wenn Jones aka Seventeen auf seinem Weg zur Nr. 1 vieles über die Vermittler, Hintermänner und Auftraggeber sowie die Regeln, die in seiner neuen Lebensumgebung gelten, lernt. John Brownlow gelingt es jedoch nicht diese interessanten Ansätze, die immer mal wieder in Seventeens Gedankengängen anklingen, zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenzufügen.
An mancher Stelle hätte dem Buch eine gründlichere Recherche gut getan. So wird etwa zu Beginn des Romans der Potsdamer Platz als von Bank-Monolithen gesäumt und Berlin insgesamt als Banken-Metropole Deutschlands beschrieben. Die Banken-Hauptstadt Deutschlands ist aber Frankfurt am Main und in den Büro-Türmen am Potsdamer Platz residieren keine Banken. Auch identifiziert Seventeen eine verstümmelte Leiche, die er in der Berliner Morgenpost abgebildet findet, anhand des von ihr bei ihrer Ermordung getragenen T-Shirts. Doch in seriösen deutschen Medien werden für gewöhnlich keine Fotos derart schlimm zugerichteter Leichen veröffentlicht.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: Seventeen
  • Herausgeber: Rowohlt
  • Erscheinungsdatum: 18. April 2023
  • Seitenzahl: 400
  • ISBN-10: 3499008513
  • ISBN-13: 978-3499008511
  • Preis: 13 €