Das Ende von Eden von Stephen Amidon


Ruhig erzähltes Krimi-Drama mit Längen, aber einem starken, abgründigen Schluss
 

Inhalt: Die unberechenbare Eden Perry, die dazu neigt schlechte Entscheidungen zu treffen, ist vor wenigen Monaten zu ihrer entfernten Verwandten Betsy Bondurant und deren Mann Bill in die Locust Lane gezogen. Im so beschaulichen wie wohlhabenden Vorort Emerson soll sie Abstand zu ihren Problemen gewinnen, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Eden kümmert sich um den Hund der Bondurants und hütet in deren Abwesenheit das Haus. Als die Bondurant das nächste Mal verreist sind, versucht Eden mitten in der Nacht ihre Mutter Danielle zu erreichen, die jedoch den Anruf verpasst. Am darauf folgenden Morgen wird Eden tot aufgefunden und weil die damit einhergehenden Umstände verdächtig sind, nehmen die Detectives Dorothy Gates von der State Police und Procopio aus Emersion ihre Ermittlungen auf.

 

Abwechslungsreiche Erzählweise aus fünf unterschiedlichen Perspektiven
Die gesamte Handlung von “Das Ende von Eden” spielt sich einschließlich des vorangestellten Prologs und des zeitlich später angesiedelten Epilogs innerhalb von wenigen Tagen ab. Indem die Erzählweise sich auf diesen kurzen Zeitraum konzentriert, verstärkt sie die Intensität, die dieser Krimi als emotionales Drama erzeugt. Dabei wird der Roman aus fünf unterschiedlichen Perspektiven geschildert. Diese umfassen neben der Sichtweise von Danielle Perry, die die Mutter der ermordeten Eden ist, auch die des Zeugen Patrick Noone, der zufällig betrunken am Tatort vorbeirauscht, sowie von Celia Parrish, Alice Hill und Michel Mahoun, deren fast volljährige Kinder die gleiche Schule besuchen und untereinander befreundet sind.
Die Parrishs sind eine in Emerson sehr einflussreiche Familie, da Celias Mann Oliver ein erfolgreicher Anwalt ist, der mit dem Polizeichef Golf spielt. Nachdem deren älteste Söhne bereits ausgezogen sind, wohnt nur noch Jack, Nesthäkchen und ehemaliges Sorgenkind der Familie, zu Hause. Jacks Freundin ist die unsichere, zu Selbstverletzungen neigende Hannah, die ihn anbetet und der die Beziehung ebenso wie Jack Stabilität zu geben scheint. Obwohl Hannahs Stiefmutter Alice das schlechte Bauchgefühl, das Jack in ihr auslöst, nie vollends losgeworden ist, billigen letztlich Celia und Alice deren Liaison, aufgrund derer sie sich kennengelernt haben und zu Freundinnen geworden sind. Dass der Geek Geoff Holt sich ganz in seiner Arbeit zur Erschaffung künstlicher Nervenbahnen, die fühlen können, vergräbt und seine Frau Alice dabei außen vor lässt, hat zu deren Eheproblemen und der Affäre geführt, die Alice mit dem aus dem Libanon stammenden Michel begonnen hat. Der Witwer Michel, der nach dem frühen Tod seiner Frau allein für seinen Sohn Christopher sorgt, besitzt das gut laufende Restaurant Papillon, das französische Gerichte mit libanesischem Akzent serviert.

 

Das Drama im Leben der verschiedenen Protagonisten
Der nach dem Verlust seiner Tochter unter seinem Alkoholproblem leidende Patrick Noone verdient sein Geld als Verwalter von Kundenvermögen. Zunächst wirkt er im Frönen seiner Sucht, bei der er schon betrunken einen Hund angefahren hat, und im dreisten Stehlen seines Mittagessens im Bio-Supermarkt, obgleich er sich das problemlos leisten kann und das er anschließend nicht einmal verzehrt, wenig sympathisch, bis sich mir dann nach und nach seine Geschichte erschlossen hat. Insgesamt überzeugt “Das Ende von Eden” zwar nicht als typischer, die Spannung hochtreibender Krimi, dafür aber umso mehr als ruhig erzähltes Drama. Jede der fünf Familien, die jeweils mit einem Mitglied vertreten sind, aus deren Sicht ein Teil der Handlung geschildert wird, hat mit Problemen zu kämpfen. Die sind mir näher gebracht worden, da Amidon sich Zeit dabei gelassen hat seine Figuren vorzustellen und auch traumatische Ereignisse aus deren Vergangenheit wiederzugeben. Besonders eindringlich sind für mich die Tragik im Leben von Patrick und Michel geraten. Michel, der als Kind Zeuge brutaler im Krieg verübter Attentate geworden ist, musste mit ansehen, wie sein feinfühliger Sohn Christopher beinahe am Verlust seiner Mutter zerbrochen ist, als seine hohl gewordene Stimme der in ihm herrschenden Leere Ausdruck verliehen hat.

 

Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge
Dass der Autor sich für den Aufbau von "Das Ende von Eden" für eine derart konzentrierte Erzählweise entschieden hat, indem die Handlung dieses Krimis auf einen Zeitraum von nur wenigen Tagen beschränkt und der erste davon vollständig aus Sicht von jeder der fünf gewählten Figuren geschildert wird, hat den Nachteil mit sich gebracht, dass unerwartete Momente verloren gegangen sind. So haben sich bei mir Längen eingeschlichen, als mich etwa nicht überraschen konnte, wer bei Michel mit blutendem Arm an eines der Fenster der von der Straße angewandten Seite des Hauses, das von Reportern belagert wird, klopft. Denn Amidon hat zuvor aus Sicht von eben dieser Figur berichtet, wie ihr das geglückt ist, hinter das Haus von Michel zu gelangen. Auch die unvorhergesehene Begegnung zweier Figuren, die zufällig vor dem zum Tatort gewordenen Haus in der Locust Lane stranden, ist nur beim ersten Mal spannend gewesen, wenn nach einem Wechsel der Perspektive klar gewesen ist, auf wen die zusätzlich involvierte Person am Ende des Kapitels treffen muss.
Da hätte ich mir eine straffere Erzählweise gewünscht, die solche Dopplungen vermieden und auf die Beschreibung der Stunden der beteiligten Figuren, in denen nichts passiert, als etwa Celia zur Untätigkeit verdammt allein Zuhause auf ihren Mann und Sohn warten muss, verzichtet hätte. Stattdessen hätte Amidon seinem über einen kurzen Zeitraum erzählten Roman einen ausführlicheren Prolog voranstellen können, indem die recht spezielle, durch ihr sprunghaftes Verhalten unberechenbare und doch so liebenswerte Eden hätte vorkommen können. Denn deren Beschreibung fällt jedem der von der Polizei Befragten derart schwer, dass den Detectives gegenüber wiederholt die Aussage gemacht wird, Eden müsse man einfach erlebt haben.

 

Mein Fazit zum starken Schluss
Im weiteren Verlauf von "Das Ende von Eden" nimmt die Handlung dann Fahrt auf, wenn die Tage nicht mehr vollständig aus fünf verschiedenen Perspektiven wiedergegeben werden, sondern kleine Zeitsprünge erfolgen. In der zweiten Hälfte dieses Krimis sind es zumindest für mich aber ein paar zufällige Verbindungen zu viel gewesen, die Zeuge Patrick oder genauer gesagt dessen verstorbene Tochter Gabi zu den in diesem Roman eine Rolle spielenden Figuren hat. An dieser Stelle wäre für mich weniger mehr gewesen, weil das in der vorliegenden Form den Eindruck hinterlassen hat, dass der Autor nach der eindringlich geschilderten, starken Vorgeschichte von Patrick nicht so recht wusste, wie er diese zu einem runden Abschluss bringen soll. Dafür hat mich jedoch das abgründige Finale entschädigt, bei dem Amidon den Mut bewiesen hat, sein durch dessen Intensität überzeugendes Krimi-Drama nicht mit einem gefälligen letzten Kapitel abzuschließen.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: Locust Lane
  • Herausgeber: Droemer
  • Erscheinungsdatum: 2. Mai 2023
  • Seitenzahl: 384
  • ISBN-10: 3426283921
  • ISBN-13: 978-3426283929
  • Preis: 16,99 €