Mai 2024

 

Im Mai hat Alex Hay mich mit seinem an Oceans 8 angelehnten Heist-Raubzug in historischem Setting, in dem eine ehemaligen Haushälterin zur Rächerin an der High Society Londons zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufsteigt, gefesselt ("Mayfair House"). Abgründe haben sich im politischen Sumpf aufgetan, um den der atmosphärische Psycho-Thriller mit Mystery-Elementen von Robert Bryndza kreist ("Fear The Silence"). Und in der "Wunderwelt der Kräuter" wusste Volksmusikerin Stefanie Hertel mich mit ihrem zwar schmalen, doch aufmerksam gestalteten und abwechslungsreich zusammengestellten Ratgeber, der auch für Einsteiger geeignet ist, zu überzeugen.

 

 

18. Mai 2024: Mayfair House von Alex Hay

11. Mai 2024: Die Wunderwelt der Kräuter von Stefanie Hertel

4. Mai 2024: Fear The Silence von Robert Bryndza

 

 

18. Mai 2024: Mayfair House von Alex Hay

 

Von der Haushälterin zur Rächerin in einem ausgeklügelten Heist-Raubzug

 

Inhalt: Mrs. King ist für lange Jahre Haushälterin bei der wohlhabenden Familie de Vries gewesen, die das auch aufgrund seiner opulenten Ausstattung prachtvollste Anwesen in der Park Lane besitzt. Da wird sie kurz nach dem Tod des Hausherren von einem Tag auf den anderen plötzlich vor die Tür gesetzt. Doch die Rache ist bereits in Planung. In einem raffinierten Heist gedenkt Mrs. King sich zu holen, was ihr zusteht. Die perfekte Gelegenheit dazu bietet ihr der Ball, zu dem sie die junge Miss de Vries manipuliert hat, die endlich unter die Haube kommen will, wenn sich die gesamte High Society Londons im Mayfair House einfinden wird.

 

Zu den Stärken von "Mayfair House" zählen dessen Aspekte als historischer Roman, in denen Alex Hay das London zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor meinem inneren Auge hat lebendig werden lassen. Das beginnt bei den eindrucksvollen Beschreibungen im Anwesen der de Vries, das in jedem Winkel vom Reichtum der Familie geprägt ist. Diesen stellt der Autor die bescheidenen Verhältnisse gegenüber, in denen Mrs. King sich wiederfindet, als sie auf der Straße landet, nachdem sie ihre Anstellung als Haushälterin verloren hat. Ein detaillierteres Bild dieses von Armut gezeichneten Lebens in London ergibt sich durch die nach und nach eingeführten Komplizinnen von Mrs. King, die sie bei ihrem geplanten Raubzug unterstützen werden. Damit dass die Crew von Mrs. King ausschließlich aus Frauen besteht erinnert der Roman an den Film Ocean's 8 allerdings in historischem Setting, der diesem einen besonderen Touch verleiht.

 

Alex Hay punktet mit der Charakterisierung seines Ensembles aus zentralen Figuren. Nahezu alle wesentlichen Figuren sind dabei Frauen, was nicht nur Mrs. Kings Komplizinnen, sondern auch Miss de Vries als deren Gegenspielerin mit einschließt. Da ist der Autor durch und durch konsequent. Männer dürfen diesem weiblichen Figurenarsenal nicht die Show stehlen. Ein Beispiel dafür ist Mr. de Vries, der sich für die im Roman angestoßenen Ereignisse verantwortlich zeigt, jedoch nur in Rückblenden auftaucht und so eher als kürzlich Verstorbener durch den Roman geistert. Alex Hay gelingt es bereits in den ersten Kapiteln die Beschreibung der verschiedenen Figuren gut herauszuarbeiten, so dass ich diese leicht voneinander unterscheiden konnte, obwohl eine Vielzahl von Figuren eingeführt wird. Der Fokus auf den starken Charakteren wie etwa von Mrs. King oder interessanten Figuren geht aber leider zulasten der Spannung. Denn bedingt durch diese Art des für den Roman gewählten Aufbaus dauert es dann eine ganze Weile, bis die Handlung in die Gänge kommt. Das bremst auch eine rasante Erzählweise, wie sie etwa die Ocean’s Eleven Filmreihe geprägt hat, aus. Womöglich wollte Alex Hay da in seinem Buch dann einfach zu viel auf einmal: ein glamouröses historisches Setting, ein ausuferndes Figurenensemble, das durch gelungene Charakterisierungen besticht, sowie ein ausgeklügelter Heist-Raubzug, der eigentlich im Mittelpunkt des Romans stehen sollte. Für mich ist das ein wenig schade gewesen, da mich der raffinierte Diebstahl tatsächlich am meisten an diesem Roman interessiert hat.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: The Housekeepers
  • Herausgeber: Insel
  • Erscheinungsdatum: 10. März 2024
  • Seitenzahl: 405
  • ISBN-10: 3458644407
  • ISBN-13: 978-3458644408
  • Preis: 20 €

  

11. Mai 2024: Die Wunderwelt der Kräuter von Stefanie Hertel

 

Abwechslungsreich zusammengestellter, auch für Einsteiger geeigneter Kräuter Ratgeber

 

Die Autorin Stefanie Hertel ist mir als Schlagersängerin und Volksmusikerin zuvor bekannt gewesen, auch wenn ich diese Musikrichtungen selbst nicht höre. So hat meinen Geschmack getroffen, dass der Fokus dieses Buchs ganz auf den Titel gebenden Kräutern und nicht etwa auf der Musik der Autorin liegt. Für Anhänger der Volksmusikerin mag sich dieses Buch dennoch lohnen, da Stefanie Hertel ihrem Kräuterbuch eine persönliche Note unter anderem durch Schilderung von Anekdoten aus ihrem Leben verleiht. Ein Beispiel dafür stellt die persönlich gehaltene Einleitung dieses Buchs dar, in der die Autorin Einblicke in ihr Leben gibt, die von dazu passenden Fotos ergänzt werden.

 

Den Mittelpunkt dieses Kräuter Ratgebers bilden die 33 Heilpflanzen, die die Autorin für ihr Buch ausgewählt hat, weil sie ihre liebsten Kräuter sind. Diese reichen von der Angelika bis hin zum Weißdorn und schließen sonst auch eher als Unkraut angesehene Pflanzen wie etwa die Brennnessel, den Gundermann, Giersch und Löwenzahn mit ein. Im Zuge dessen wird jedes dieser Kräuter einzeln in einem eigenen Kapitel vorgestellt. Ein jedes beginnt bei den persönlichen Erfahrungen der Autorin mit der betrachteten Heilpflanze, setzt sich in deren Beschreibung fort und gibt auch deren heilende Wirkung an. Abgerundet wird dies von konkreten Anwendungsmöglichkeiten der betreffenden Heilpflanze in von Stefanie Hertel angegebenen Rezepten. Positiv ist mir dabei die tolle Gestaltung dieses Ratgebers aufgefallen, die mich mit ihren hochwertigen Aufnahmen in großer Zahl überzeugt hat. Zudem ist das über Heilpflanzen vermittelte Wissen in übersichtlicher Form aufbereitet worden, indem dies nicht nur als Fließtext wiedergegeben wird, sondern darüber hinaus um Schaukästen und separat abgebildete Übersichten ergänzt wird. Damit bietet sich "Die Wunderwelt der Kräuter" neben der einmaligen Lektüre auch als Nachschlagewerk an. Meiner Ansicht nach ist dieses Buch gut geeignet für Einsteiger in die Thematik rund um Kräuter und Heilpflanzen, da Stefanie Hertel in der Vermittlung von Basiswissen Grundlage erklärt. Dazu zählen beispielsweise Tipps & Tricks zum Sammeln und Konservieren von Kräutern.

 

Davon dass es sich bei diesem Ratgeber weniger um ein Kochbuch handelt, bin ich angetan gewesen. Damit dass der Fokus darin stattdessen auf Kräutern und deren heilender Wirkung wie Anwendung liegt, hat die Autorin zumindest meinen Geschmack getroffen. Nichtsdestotrotz schließt Stefanie Hertel ihr Werk mit einem Teil ab, in dem sie Rezepte sammelt. Darin greift sie zuvor vorgestellte Kräuter auf, wenn etwa Brennnessel oder Bärlauch als Zutat in einem Pesto oder einer Suppe verwendet werden und Holunder als Hollerküchlein, Sirup und mehr zubereitet wird. An der Zusammenstellung dieser Rezepte hat mir gefallen, dass sie abwechslungsreich ausgefallen ist, obwohl sie nicht so umfangreich ist. Die von der Autorin getroffene Auswahl beinhaltet Rezepte, die eine ausgewogene Ernährung unterstützen können und um Kräutern der Natur angereichert sind. Dazu gehört u.a. ein Wildkräuter-Blüten-Salat. Ergänzt wird dies um Backwaren wie beispielsweise von Wildkräutersemmeln oder einem Kräuterstrudel und weist neben den von mir erwarteten bayerischen Einflüssen auch italienische (z.B. Zitronengnocchi mit Wegerichbutter), hessische (u.a. Nackede Maadle) und österreichische (etwa die Kärntner Kaasnudeln) auf. Dabei sind Süßspeisen wie der Heideldidei und Getränke (z.B. ein Schlehenlikör) nicht vergessen worden.

 

4,5 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Herausgeber: Gräfe und Unzer
  • Erscheinungsdatum: 3. Februar 2024
  • ISBN-10: 383388973X
  • ISBN-13: 978-3833889738
  • Seitenzahl: 192
  • Preis: 22,99 €

 

4. Mai 2024: Fear The Silence von Robert Bryndza

 
In seiner Atmosphäre überzeugender, psychologisch angehauchter Politthriller mit Mystery-Elementen

Inhalt: Als Maggie Kendall zu ihrem Job als Unfallchirurgin im Londoner Gray`s Krankenhaus aufbricht, ahnt sie nicht, durch welch grausame Wendung sich dieser Tag noch zum schrecklichsten in ihrem Leben entwickeln wird. Bevor sie sich auf den Weg macht, wirft sie einen Blick zurück auf ihren Mann Will. Der hält zum Abschied lächelnd die streunende Katze im Arm, die er für seine Frau winken lässt. Doch Maggies Schicht verwandelt sich in einen Albtraum, als ein Mann mit Schusswunde in die Notaufnahme eingeliefert wird und sie zu ihrem Schock Will unter dem ganzen Blut erkennen muss.

Der Thriller "Fear The Silence" wird aus der Perspektive von Hauptfigur Maggie erzählt. Dabei hat Robert Bryndza einen starken Einstieg für seinen Roman gefunden, bei dem die Spannungskurve auf den wenigen Seiten des ersten Kapitels bereits von Null auf Hundert hochgeschnellt ist. Denn Maggie wird während ihrer Arbeit als Notfallärztin eingeführt, bei der sie einem Teenanger mit multiplen Stichwunden das Leben rettet. Nachdem sie die an seinem Herzen entstandenen Wunden versorgt hat, bringt sie das nach dessen Stillstand mit der bloßen Hand, die sie in seine blutige, für die Operation geöffnete Brust steckt, wieder zum Schlagen. Erst im Anschluss daran lässt sie der Schock zur Salzsäule erstarren, so dass ihre Kollegin und gute Freundin Diane für sie die Operation von ihre, Mann Will übernehmen muss. Denn bei seinem Eintreffen im Gray`s ist er nicht der brutalen Schusswunde in seinem Kopf erlegen, sondern kämpft noch um sein Leben.
Maggie und Will, die sich im Medizin Studium kennengelernt haben, sind seit über zwanzig Jahren verheiratet, obwohl sie aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen stammen. Maggies unorthodoxe Jugend ist von der On-Off-Beziehung ihrer Mutter mit ihrem quasi Stiefvater George geprägt gewesen. Als die beiden getrennt gewesen sind, hatte ihre Mutter wechselnde Partner. Sonst sind sie zusammen mit George im Camper durch die Lande gezogen, bis sie sich ein Jahr vor Maggies Studienbeginn für einen festen Wohnsitz entschieden haben. Will dagegen stammt aus einer wohlhabenden Familie, die das kostspielige Anwesen, das er mit Maggie in einer noblen Gegend von London bewohnt, finanziert hat. Er ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten, als er, wie von seiner Familie verlangt, zu einem anerkannten Rechtsmediziner geworden ist. Kinder haben Maggie und Will keine. Kurz vor seinem Tod hat er sich jedoch regelmäßig um eine streunende Katze gekümmert, die er durch die Hintertür ins Haus gelassen hat, um sie zu füttern. Will hatte sogar geplant, eine Katzenklappe einbauen zu lassen, um diesen Streuner vollends zu adoptieren.

Die Vorstellung von Maggie ist nicht ganz so stark wie die von Kate Marshall in "Nine Elms", einem Thriller ebenfalls von Robert Bryndza, ausgefallen, reicht aber daran heran. Immerhin hat Kate dabei einen intelligenten Serienmörder zu entlarven, der sich hinter seiner Position als hochrangiger Polizist versteckt hat. Auch passt der die Spannung so genial hochtreibende Schreibstil des Autors letztlich besser zu abgründigen Serienmörder-Krimis als zu eher psychologisch angehauchten Thrillern. Im weiteren Verlauf von "Fear the Silence" wird Maggie mit einer Vielzahl von Fragen konfrontiert. Denn die Polizei erklärt Wills Tod zu einem Selbstmord, obwohl seine Frau daran zweifelt, weil dafür nicht die geringsten Anzeichen vorhanden gewesen sind. Obgleich sie mit dieser Ansicht zunehmend alleine dasteht, kann sie nicht glauben, dass ihr Mann sich selbst umgebracht hat.
Erst ist Maggie überzeugt davon, dass sie ihren Mann gekannt hat. Doch nach und nach kommen die Geheimnisse ans Licht, die er vor ihr verborgen gehalten hat. Warum hatte Will ohne ihr Wissen Schusswaffen im gemeinsamen Zuhause aufbewahrt? Und was ist sechs Jahre zuvor geschehen, dass seinerzeit derart unbemerkt an ihr vorbeigegangen ist? Danach hatte Will sich nicht nur bedroht gefühlt, so dass er zu seinem Schutz eine Waffe griffbereit haben wollte, sondern auch seine Stelle als Rechtsmediziner aufgegeben. Stattdessen hat er seine Leidenschaft für Architektur und Design zum Beruf gemacht. Im Zuge dessen hat er zunächst für Maggie und sich ihr Traumhaus auf einer kleinen Insel vor der kroatischen Küste in die Klippen hineingebaut. Dorthin zieht sie sich nach Wills Beerdigung zurück, um ihren Gedanken an ihren verstorbenen Mann nachzuhängen und dessen Verlust zu betrauern.

Mit der in den kalten Wintermonaten verlassenen Insel, die im weiteren Verlauf noch von einem brutalen Sturm verwüstet werden wird, hat Bryndza eine atmosphärische Kulisse für seinen Thriller gefunden. Dieses Geschick hat der Autor bereits im zweiten Band der Reihe um Kate Marshall unter Beweis gestellt, die um eine für lange Zeit unbemerkt gebliebene Mordserie kreist, deren Schauplatz ein oft in unheimlich dichten Nebel gehüllter Staudamm einschließlich des darin versunkenen Dorfes gewesen ist. Dabei zeigt Bryndza in "Fear The Silence" wieder sein besonderes Talent für den Einsatz von Wasser, das bei ihm schon mal als Therapiemittel zum Tragen kommt, um das herum er aber auch abgründige Szenen arrangiert. Beispiele dafür sind Maggies Schwimmversuche und ihr Tauchgang. Das Spannungslevel von "Fear The Silence" ist hoch, weil Bryndza seinen Thriller gut taktet, wenn er Mystery-Elemente, Anleihen an einen Katastrophen-Thriller und Home-Intruder Horror einstreut. Diese fügen sich zu einem erstaunlich flüssigen Ganzen, bei dem in dessen konsequentem Aufbau die Spannung immer weiter angezogen wird.
Schwächer ist "Fear The Silence" dagegen in der Charakterisierung seiner Protagonistin Maggie ausgefallen. Indem sie erst als toughe Notfallärztin vorgestellt wird, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit schon einige brenzlige Situationen zu meistern hatte, ist für mich wenig nachvollziehbar gewesen, dass sie sich nach dem Tod von Will in ein schreckhaftes Mäuschen verwandelt hat. Als passives Frauchen braucht sie unbedingt einen starken Mann  an ihrer Seite, der sie beschützt und hält. Diese Entwicklung hat mir nicht Maggies nach dem Tod ihres Mannes empfundene Einsamkeit und Trauer um seinen Verlust nahegebracht, sondern ihre Figur nicht gänzlich schlüssig auf mich wirken lassen. Bis Maggie dann doch wieder Ansätze der Frau zeigt, als die sie eingeführt wurde, wenn sie sich auf die ihr im professionellen Umfeld antrainierten Routinen im Umgang mit hochgradig belastenden Situationen besinnt, ist bereits die Hälfte dieses Thrillers vergangen.
Da ich recht früh vermutet habe, welcher Figur in "Fear The Silence" die Rolle des Antagonisten zukommt, habe ich eher den Weg dorthin als spannend empfunden. Denn dieser hat für mich einige überraschende Schlenker bereit gehalten, die diesem Thriller eine andere Richtung gegeben haben. Stärker hätte "Fear The Silence" aber ausfallen können, wenn Bryndza einen zusätzlichen, gänzlich unerwarteten Gegenspieler für Maggie in die Handlung integriert hätte.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Herausgeber: Raven Street Publishing
  • Erscheinungsdatum: 3. Juli 2023
  • Seitenzahl: 362
  • ISBN-10: 1914547152
  • ISBN-13: 978-1914547157