April 2024

 

Im April habe ich mich von Louise Kennedy in ihr intensives Drama über den in Belfast tobenden Konflikt hineinziehen lassen, das in seinen ungewöhnlichen Beschreibungen besticht ("Übertretung"). Der Auftakt einer Reihe um die mörderischen Cunninghams wird mir aufgrund des speziellen Charmes dieses Krimis in Erinnerung bleiben, der neben der originellen Erzählweise von Benjamin Stevenson mit starken Hintergrundgeschichten gepunktet hat ("Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen"). Zudem konnten mich Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer und seine Tochter Friederike Grönemeyer mit "Selbst heilen mit Kräutern" als Kombination aus wissenschaftlich fundiertem Sachbuch, übersichtlich aufbereiteten Nachschlagewerk und mit Rezepten unterlegten Ratgeber, das sich in einer großen Bandbreite an Themen der Pflanzenheilkunde widmet, zu überzeugen.

 

 

20. April 2024: Übertretung von Louise Kennedy

13. April 2024: Die mörderischen Cunninghams von Benjamin Stevenson

6. April 2024: Selbst heilen mit Kräutern von Dietrich und Friederike Grönemeyer

 

 

 

20. April 2024: Übertretung von Louise Kennedy


In seinen ungewöhnlichen Beschreibungen bestechendes Drama über den in Belfast tobenden Konflikt mit schwachem Schluss

Inhalt: In 1975 unterrichtet Cushla Lavery in der Nähe von Belfast die dritte Klasse einer katholischen Grundschule. Am Abend hilft sie ihrem Bruder Eamonn in seinem Pub aus. Als sie von einer Gruppe betrunkener Soldaten belästigt wird, greift der zwar schon ältere, aber dennoch attraktive protestantische Prozessanwalt Michael Agnew ein, der ihr zuvor bereits aufgefallen ist. So beginnt sich zwischen den beiden eine Affäre zu entspinnen und das Drama nimmt seinen Lauf.

Cushla ist mit ihren vierundzwanzig Jahren eine alleinstehende, junge Katholikin, deren Familie, nachdem ihr Vater seiner Krankheit erlegen ist, neben ihrer Mutter Gina und ihrem Bruder Eamonn aus ihrer Schwägerin Marian und deren beiden Töchtern besteht. Zusätzlich zu ihrer Arbeit als Lehrerin und ihrer Unterstützung im Pub kümmert sie sich um ihre Mutter Gina, die zur Alkoholikerin verkommen ist. An manchen Tagen hat Gina derart viel getrunken, dass sie nicht mehr gerade stehen kann. Auch befürchtet Cushla, dass ihre Mutter in betrunkenem Zustand das Haus niederbrennen könnte, wenn sie ihre angezündeten Zigaretten in den Korb voller Wäsche steckt.
Nach ihrer ersten Begegnung ist Cushla dem Charme des charismatischen Frauenhelden Michael erlegen, der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht, obwohl er die falsche Konfession hat und verheiratet ist. Trotz seines Alters, das sich deutlich an den dadurch bedingten Flecken auf seinen Händen zeigt, empfindet sie ihn als gut aussehend und ist von seinem kultivierten Verhalten beeindruckt. Im Vergleich zu seiner gehobenen Bildung und seinem ausgeprägten Intellekt meint sie, ihm nicht genügen zu können. Mit dieser Affäre riskiert Cushla ihre Anstellung an der Grundschule. Erst vor kurzem ist einer Kollegin von ihr gekündigt worden, da in einer anonymen Anzeige offenbart wurde, dass sie mit ihrem Freund in Sünde lebt.
Im weiteren Verlauf stellt Louise Kennedy die Zuneigung, die in Cushla für Michael entbrannt ist, in den Mittelpunkt ihres Romans. Einerseits ist das zwar gekonnt beschrieben, wie Michael immer mehr an Bedeutung für Cushla gewinnt, bis er ihr Leben bestimmt, dass sie nach dem Takt seiner Anrufe, dem Warten darauf und deren heimlichen Treffen ausrichtet. Andererseits ist mir die Schilderung dieses Verhältnisses zu stereotyp ausgefallen, indem Cushla als klassische Nora charakterisiert wird. Auf die Spitze treibt das die Autorin, wenn sie Cushla an Michaels Seite eine Vorführung des Puppenhauses von Henrik Ibsen besuchen und sich selbst als Nora wiedererkennen lässt. Denn sie macht sich stets für Michael zurecht, ohne dabei so wirken zu wollen, und erduldet die Geringschätzung seiner Freunde, mit der sie ihr bei gemeinsamen Irisch Stunden begegnen, nur um Zeit in seiner Nähe verbringen zu können.

Dagegen hat mich "Übertretung" in seinen ungewöhnlichen Bildern, in denen Louise Kennedy den in Nordirland tobenden Konflikt einfängt, überzeugt. Das beginnt bei einem in Cushlas Straße wohnenden Gefängnisaufseher, der sich als Verwaltungsangestellter ausgibt und am Morgen Liegestütze nicht unähnliche Übungen vollführt, um unter seinem Wagen nach einer Bombe zu suchen, reicht über die Zeiten für Schulanfang, Schulende und die
Mittagspause, die sich bei der protestantische Sekundarschule von der katholischen Grundschule gegenüber unterscheiden, damit sich die Kinder nicht mit Schmähgesängen oder Schlimmeren überhäufen, bis hin zu Cushlas Bruder Eamonn, der in seinem zwanghaften Bemühen Neutralität zu wahren jedes Gespräch über Religion, Politik und die Troubles meidet. Als Inhaber eines Pubs ist er darauf angewiesen, Bier an Katholiken wie Protestanten auszuschenken, will dabei aber auf keiner Todesliste landen.
Der in Belfast längst eskalierte Konflikt, der Woche für Woche weitere Opfer fordert, tangiert das Cushla vor den Toren der Stadt umgebende, alltägliche Treiben lediglich peripher. Da sich Cushla fernab von Anschlägen und Bombenattentaten bewegt, trifft sie nur auf Soldaten, wenn sie die Kaserne passiert oder von ihnen während schikanierender Kontrollen belästigt wird. In diesen Szenen, die auf den ersten Blick beinah gewöhnlich erscheinen, bis sie sich dann doch als durch den Schauplatz Nordirland und die von Louise Kennedy zum Leben erweckte Geschichte geprägt entpuppen, wird in eindringlicher Weise die Auswirkung der Belfast schon seit so langer Zeit beherrschenden Gewalt beschrieben. Dabei kommt die Autorin über weite Strecken ohne Effekthascherische Elemente in Gestalt von blutigen Gewaltspitzen aus, ohne dass der geschilderte Konflikt dadurch an Intensität einbüßen würde. Damit sind etwa die Nachrichten gemeint, bei denen Cushlas Klasse alle Neuigkeiten des Tages wiedergeben muss, von denen sie daheim gehört hat. Diese lassen Cushla in ihrem Inneren erschaudern, wenn ihr bewusst wird, dass bereits der Wortschatz von siebenjährigen Kindern Gummigeschoss, Brandsatz und Sprengfalle umfasst.


In diesem Zusammenhang steht der Handlungsstrang um Cushlas Schüler Davy McGeownn, den sie in Schutz nimmt, als er in der Schule beleidigt wird, weil seine Kleidung immer nach Essen riecht. Da dessen Eltern eine katholisch protestantische Mischehe führen, werden sie von beiden Lagern abgelehnt. Als Ausgestoßene, die in armseligen Verhältnissen hausen, können sie nicht einmal ihre Wäsche draußen trocknen lassen, weil diese sonst von anderen mit Unrat beschmutzt wird, sondern müssen diese stattdessen in der verschimmelten Küche aufhängen. Die Situation von Davys Familie verschlimmert sich indes drastisch, als sein Vater Seamie derart brutal zusammengeschlagen wird, dass er erst für tot gehalten wird.

Im Mittelteil von "Übertretung" haben sich bei mir in der ausufernden Schilderung von Cushla, die sich allmählich als Nora erkennt, aber dennoch nichts daran zu ändern vermag, Längen eingeschlichen. Dieser Roman wäre stärker ausgefallen, wenn die Autorin sich mehr Zeit dafür genommen hätte Cushla nicht nur in ihrer Co-Abhängigkeit zu Michael, sondern ebenfalls in ihrer andauernden Trauer um den schwer wiegenden Verlust ihres Vaters und den Einfluss ihrer ungewöhnlichen, durch Standesunterschiede geprägten Familiengeschichte auf ihr Leben zu beschreiben. Cushlas Großvater Oliver Lavery, der sein Vermögen dem Glücksspiel verdankt, ist von den Mitgliedern seiner vornehmen Nachbarschaft nie vollends akzeptiert worden. Dessen ältester Sohn wiederum hat weit unter Stand geheiratet, als ihn sich Cushlas Mutter Gina, die zwar einst eine Augenweide, aber lediglich eine einfache Fabrikarbeiterin gewesen ist, geangelt hat. An Spannung hätte "Übertretung" dadurch gewinnen können, dass Louise Kennedy den Fokus bei Michael nicht primär auf seine leidenschaftliche Zuneigung für die junge Cushla, sondern auf seine Tätigkeit als Prozessanwalt gelegt hätte, der in dieser Rolle die an Katholiken verübte Polizeigewalt und weitere ungerechte Zustände anprangert, obgleich er selbst Protestant ist. Zudem sind die Wendungen im Schlussteil dieses Romans recht abrupt gekommen. Dabei hat die Autorin Schwächen im Aufbau ihrer Handlung gezeigt, indem den sich dann teilweise überschlagenden Ereignissen keine dazu passende Entwicklung vorausgegangen ist.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: Trespasses
  • Herausgeber: Steidl Verlag
  • Erscheinungsdatum: 10. August 2023
  • Seitenzahl: 320
  • ISBN-10: 3969992591
  • ISBN-13: 978-3969992593
  • Preis: 25 €

  

13. April 2024: Die mörderischen Cunninghams von Benjamin Stevenson

 

Spezieller Krimi mit starken Hintergrundgeschichten, doch schwachen Charakterisierungen

 

Inhalt: Ernest, genannt Ernie Cunningham, hat sich nach einer keinen Widerspruch duldenden Einladung seiner Tante Katherine dazu entschieden, am ersten Familientreffen seit Jahren teilzunehmen. Das findet in einem abseits gelegenen Ski Resort statt, bei dem sich schon die Anreise als kleines Wagnis gestaltet, da Ernie vergessen hat, seinen Wagen mit Schneeketten auszustatten. Die Familie bereitet ihm einen zum Wetter passenden eisigen Empfang: Ignoriert von der Tante, mit Schweigen gestraft von seiner Mutter Audrey, scheint sich nur seine Stiefschwester Sofia zu freuen, ihn zu sehen. Jedes Beieinandersein der Familie artet schon nach fünf Minuten in Streit aus, wovor sie auch in der Öffentlichkeit nicht zurückschrecken oder aber über den Fund einer im Schnee entdeckten Leiche. Doch ist der Unbekannte tatsächlich einem tragischen Unglück zum Opfer gefallen, wie vom Dorfpolizisten Crawford vermutet, oder ist das ein eiskalter Mord gewesen?

 

Die Familie Cunningham ist speziell und ebenso auch dieser Krimi von Benjamin Stevenson, dem sie den Titel geben. Das beginnt bei den vorangestellten zehn Geboten des Detektivromans, die vom Priester und Satiriker Ronald Knox in 1929 verfasst worden sind und die vom Autor konsequent in seinen Roman eingebaut werden. Das gibt diesem Krimi eine besondere Meta-Meta-Ebene, die mich weniger an die in “30 Tage Dunkelheit” von Jenny Lund Madsen gewählte Meta-Ebene erinnert hat, bei der eine Schriftstellerin in einem Todesfall ermittelt und diesen gleichzeitig in dem fiktiven Kriminalroman verarbeitet, an dem sie gerade schreibt, sondern trotz des anderen Genres eher an den Film Scream. So hätte “Den mörderischen Cunninghams” eine stärkere Orientierung am Film Scream gut getan, um mehr aus der originellen Ausgangsprämisse herauszuholen, die diesem Meta-Krimi zugrunde liegt, indem zudem der Leser wiederholt direkt angesprochen wird. Dafür hätte sich die darin erzählte Geschichte und insbesondere deren Todesfälle meiner Ansicht nach angeboten, um ähnlich wie im Film Scream im einen Moment noch wie eine Satire zu wirken, um im nächsten bitteren, blutigen Ernst zu machen, wenn einem dann dabei das Lachen im Hals stecken bleibt.

 

An sich mag ich schräge Figuren samt eigenwilliger Dynamik in ihren Beziehungen untereinander recht gerne. Insofern haben mich zunächst die Beschreibung von Tante Katherine und von anderen Mitgliedern der Familie von Ernie angesprochen. Dabei liebt Katherine ihre Tabellen, die sie leidenschaftlich etwa bei der Organisation von Familientreffen einsetzt, sie hasst Unpünktlichkeit, weil das ihren präzise geplanten Ablauf durcheinanderbringt, und schreibt vorzugsweise E-Mails mit Betreff “Re: siehe meine vorherige Mail”. Ihr in die Familie eingeheirateter Mann Andy beschränkt sich darauf, ihr stets zuzustimmen und heimlich mal ein Bier zu kippen, da seine Frau seit ihrer Verletzung strikte Abstinenzlerin ist. Indem die Figuren derart eindimensional charakterisiert sind, wirken sie eher wie Karikaturen und ihre schon mal eher unfreiwillig anmutende Komik nutzt sich etwa im Fall von Andy sehr rasch ab. Da hätte es mir besser gefallen, wenn Benjamin Stevenson seinen Figuren weitere Facetten zugestanden hätte. Vielleicht hätte sich darüber hinaus angeboten, einzelne Kapitel nicht nur aus Sicht von Ernie, sondern der weiterer Familienmitglieder wie beispielsweise von Andy wiederzugeben, um diesem Mann, der nach außen hin immer nur das sagt und tut, was seine Frau für gut erachtet, von Beginn an eigene Gedankengänge zuzugestehen, die damit auch dem Leser bekannt wären.

 

Eine Stärke der mörderischen Cunninghams sind die spannenden, abwechslungsreich gehaltenen Hintergrundgeschichten, die Benjamin Stevenson sich für die einzelnen Familienmitglieder ausgedacht hat, was beispielsweise Ernies Vater und großen Bruder mit einschließt. Diese werden allesamt aus Ernies Sicht wiedergegeben, der dazu verschiedene Vermutungen anzustellen hat oder eher als passiver Beobachter mit dabei gewesen ist. An dieser Stelle hätte sich vielleicht eher angeboten, die relevanten Ereignisse aus Sicht des jeweiligen Familienmitglieds zu schildern, statt dafür die Perspektive von Ernie zu wählen, so dass ich diese dabei zugleich besser hätte kennenlernen können. Auch das vom Autor gewählte Konstrukt, indem er bei der Anreise zum Familientreffen beginnt, um dann nach und nach wiederholt vergangene Ereignisse einzuschieben, hat dessen Erzählweise eher unübersichtlich gestaltet statt dadurch für die großen Überraschungsmomente zu sorgen, die durch diese verschachtelte Erzählweise und spätere Enthüllungen wohl angedacht gewesen sind. Auch hat es auf diese Weise sehr lange gedauert, bis die Handlung um die im Skiresort gefundene Leiche in die Gänge gekommen ist. Da hätte ich eine chronologische Erzählweise als passender empfunden, die zumindest teilweise erst wesentliche Ereignisse aus der Vergangenheit von Ernies Familie abgehandelt hätte, um sich im Anschluss daran der Gegenwart zu widmen, die dann gestraffter hätte erzählt werden können.

 

Das hätte den Vorteil mit sich gebracht, dass Stevenson bei der Wiedergabe der Vergangenheit seinen besonderen Schauplatz Australien mehr in den Vordergrund hätte stellen können. Auch wenn mir an sich Kriminalromane gut gefallen, die an einem abgelegenen Ort spielen, an dem sich nur eine begrenzte Zahl an Personen aufhält, ist ein abseits gelegenes Skiresort eine recht beliebige Location, die sich ebenso in Europa hätte wiederfinden können. Zu Beginn “Der mörderischen Cunninghams”, wenn der Autor einen für die späteren Ereignisse wichtigen Abend zwischen Ernie und seinem großen Bruder schildert, zeigen sich jedoch die Besonderheiten des Schauplatzes Australien, wenn Ernie erst befürchtet, sein Bruder habe ein Känguru angefahren, um dann auf einer von Spinnweben überzogenen Lichtung, die an Schnee erinnern, im Wald zu enden. Davon hätte ich mir mehr gewünscht. Ebenso wie von den atmosphärischen Beschreibungen, die zu den Stärken von Stevenson zählen und die nicht nur bei der eben erwähnten Lichtung zum Tragen gekommen sind, sondern etwa auch in der Schilderung der beeindruckenden Aussicht von den Chalets im Skiresort oder der eisigen Temperaturen, die dort vorherrschen, so dass mir die Kälte beim Lesen ab und an fast in die Knochen gekrochen ist.

 

4 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Originaltitel: Everyone in My Family Has Killed Someone
  • Herausgeber: List
  • Erscheinungsdatum: 26. Oktober 2023
  • Seitenzahl: 384
  • ISBN-10: 3471360573
  • ISBN-13: 978-3471360576
  • Preis: 16,99 €

Die mörderischen Cunninghams-Reihe:

  • Band 1: Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen
  • Band 2: Jeder im Zug ist verdächtig

 

6. April 2024: Selbst Heilen mit Kräutern von Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer und Friederike Grönemeyer

 

Kombination aus wissenschaftlich fundiertem Sachbuch, übersichtlich aufbereiteten Nachschlagewerk und mit Rezepten unterlegten Ratgeber, das sich in einer großen Bandbreite an Themen der Pflanzenheilkunde widmet

 

Diese als Paperback vorliegende Neuauflage des Spiegel Bestsellers, die auf knapp vierhundert Seiten eine Sammlung geballten Wissens birgt, nur als Taschenbuch zu bezeichnen, erscheint mir beinahe als Untertreibung. Was mir an deren Gestaltung ausgesprochen gut gefallen hat, sind die im Einband enthaltenen Übersichten, die die Eignung von “Selbst Heilen mit Kräutern” als Nachschlagewerk hervorheben. Denn mit deren Hilfe konnte ich leicht in diesem Buch behandelte Themen, die für mich relevant sind, entdecken. Die Innenseite des Covers enthält einen Überblick über die bedeutendsten Heilpflanzen für die Anwendung zu Hause. Interessiert haben mich dabei insbesondere die Heilpflanzen, die mir vor der Lektüre dieser Kombination aus Sachbuch und Ratgeber nicht bekannt gewesen sind. Dazu zählen unter anderem Tormentill oder Zistrose.

Hingegen beinhaltet der rückwärtige Einband eine Übersicht von nach Anwendungsgebieten aufgelisteten Heilpflanzen, die in diesem Zusammenhang lindernd wirken können. Diese ist anatomisch unter anderem nach “Hals, Nasen, Ohren, Zähne”, “Bronchien, Lunge”, “Magen, Darm, Verdauung” und “Blut, Herz, Arterien, Venen” gegliedert. Im Kapitel “Was hilft?”, das mir dank dessen Farbgebung eine einfache Orientierung ermöglicht hat, wird dieser Überblick dann fortgeführt, wenn auf etwa fünfzehn Seiten detailliert auf die für verschiedene Beschwerden relevanten Heilkräuter eingegangen wird.

 

Zur Geschichte der Heilpflanzen und deren in Studien belegter medizinischer Wirksamkeit

In der Einleitung von “Selbst Heilen mit Kräutern” gehen Dietrich Grönemeyer, der Professor für Radiologie und Mikrobiologie an der Universität Witten / Herdecke ist, und seine Tochter Friederike Grönemeyer, die studierte Psychologin und ausgebildete Heilpraktikerin für Pflanzenheilkunde ist, auf die Geschichte der Pflanzenheilkunde ein, die vor mindestens 60.000 Jahren begonnen hat. Denn in einem derart alten Grab sind dem dort Beerdigten an die dreißig unterschiedliche Heilkräuter für seine Reise ins Jenseits mitgegeben worden. Die älteste Überlieferung in schriftlicher Form, die bis heute erhalten geblieben ist und Rezepte zur Anwendung von Heilpflanzen beinhaltet, stammt aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. und ist von den Sumerern verfasst worden.

Auch setzen sich die Autoren mit der wissenschaftlichen Verankerung der Pflanzenheilkunde auseinander, indem sie etwa betonen, dass diese als besondere Therapierichtung im Deutschen Arzneimittelgesetz vorhanden ist, und auf deren medizinisch belegte Wirksamkeit unter anderem durch Verweis auf in diesem Zusammenhang erfolgte Studien eingehen. Dazu zählt beispielsweise eine klinische Studie aus dem Jahr 2000, bei der nachgewiesen wurde, dass bei der Beruhigung im Magen-Darm-Bereich pulverisierter Ingwer bessere Ergebnisse als ein entsprechendes Medikament erzielt hat. Dabei ist die Lesbarkeit dieses Sachbuchs dadurch von den Autoren erhöht worden, dass sie in ihren Ausführungen weitestgehend auf Fachvokabular verzichten, das dafür nicht benötigt wird. Zudem werden wesentliche Definitionen (z.B. Phytotherapie, Kommission E, ESCOP) übersichtlich aufbereitet auf separaten Seiten dargestellt.

 

Zur grundlegenden Anwendung von Heilpflanzen in Form von Rezepten

In einem separaten Kapitel erläutern Dietrich und Friederike Grönemeyer, wie sich Präparate aus Heilpflanzen für die innerliche oder äußerliche Anwendung zubereiten lassen. In diesem Zusammenhang wurden mir grundsätzliche Prinzipien vermittelt, die bei der Verwendung von Heilkräutern, etwa als Tee oder Abkochung, zu beachten sind. Gut gefallen hat mir dabei die große Bandbreite, die von den Autoren durch vielfältige Anwendungsmöglichkeiten abgedeckt wird. Denn diese reichen von klassischen Darreichungsformen wie einem Tee oder einer Tinktur aus Heilpflanzen über für mich eher unerwartete Optionen wie beispielsweise einen Trockenextrakt oder Presslinge bis hin zu traditionellen Methoden in Gestalt von Bädern, wobei ein Sitzbad von einem Vollbad und Aromabad unterschieden wurden. Ein Highlight ist in diesem Kapitel für mich der thematische Schwerpunkt gewesen, den die Autoren auf die Wickel gelegt haben, wenn die Herstellung und Anwendung eines Basiswickels anhand entsprechender Abbildungen illustriert und durch konkrete Rezeptvorschläge veranschaulicht wird.

Diese umfassen unter anderem einen traditionellen Kohl- oder Quarkwickel, der Schwellungen oder Entzündungen der Gelenke bzw. Halsschmerzen lindern kann, aber auch einen Meerrettich- oder Ingwerwickel, der bei Schnupfen resp. Husten helfen kann und damit bestens geeignet für die kalte Jahreszeit ist. Fortgeführt wird dieser Ansatz in einem weiteren Kapitel, das ausschließlich aus Rezepten besteht, die sich unterschiedlichen Beschwerden widmen. Beispiele dafür sind Mundspülungen und Gurgelmischungen (aus Arnika bzw. Kamille und Salbei), ein Kräuter-Breiumschlag bei Bauchschmerzen, ein Verdauungstee oder ein Antientzündungs-Smoothie mit Kamille.

 

Zu den Heilpflanzen Porträts im Hauptteil dieses Sachbuchs & Ratgebers

Den Schwerpunkt von “Selbst Heilen mit Kräutern” bilden die verschiedenen Kapitel, die sich in alphabetischer Reihenfolge sortiert mit den unterschiedlichen Heilpflanzen auseinandersetzen. Diese reichen von klassischen Heilpflanzen wie Baldrian, Kamille, Johanniskraut oder Pfefferminze über sonst eher als Unkraut angesehene Gewächse wie etwa die Brennessel oder den Spitzwegerich und eher als Küchenkräuter bekannte Pflanzen wie beispielsweise Rosmarin, Salbei oder Thymian bis hin zu exotischen Gewächsen, zu denen unter anderem Ginseng, Ingwer oder Kurkuma zählen. Das detaillierte Porträt, das die Autoren für jede dieser Heilpflanzen entwerfen, beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung dieser Pflanze. Zudem wird eine Übersicht über deren Hauptindikatoren gegeben, ergänzt um gesundheitliche Beschwerden, in deren Falle die jeweilige Heilpflanze zum Einsatz kommen kann. Dabei sind auch traditionelle Anwendungsgebiete berücksichtigt worden. Im Anschluss daran gehen Dietrich und Friederike Grönemeyer auf verschiedene Anwendungsmöglichkeiten für die betrachtete Heilpflanze ein.

Für den Ingwer beispielsweise bieten sich dessen Zubereitung als (milder) Tee, Shot oder Brustwickel an, für die die Autoren konkrete Rezeptvorschläge angeben, die Vorgaben zu dessen Dosierung mit einschließen. Die zusätzlich zur jeweiligen Heilpflanze vorhandenen persönlichen Tipps, die für mich oft unerwartet gewesen sind, habe ich als interessant empfunden. Dabei wird etwa im Kapitel, das den Ingwer behandelt, angeführt, dass dieser als Koffein-Ersatz geeignet ist. Im letzten Abschnitt erfolgt dann eine wissenschaftliche Herangehensweise an die Pflanze, indem unter anderem auf in diesem Zusammenhang relevante Studien eingegangen wird. Abgerundet wird ein jedes Kapitel von einem Steckbrief zur Heilpflanze, der deren Familienzugehörigkeit, Synonyme für deren Bezeichnung, ihre verwendbaren Teile, Inhaltsstoffe, deren daraus resultierende Eigenschaften, mögliche Darreichungsformen und Bezugsquellen zusammenfasst.

 

Mein Fazit

“Selbst Heilen mit Kräutern”, das mich mit den in seinen Einband integrierten Übersichten und mit detaillierten Porträts zu verschiedenen Heilpflanzen in seinem Hauptteil überzeugt hat, ist meiner Ansicht nach ideal als Nachschlagewerk. Darüber hinaus bietet sich dieses Buch für eher wissenschaftlich Interessierte aufgrund von dessen Herangehensweise und den diesbezüglich zusätzlich enthaltenen Informationen an, ist aber wegen seiner konkreten Anleitungen und Rezeptvorschläge auch als Ratgeber für all jene geeignet, die Pflanzenheilkunde für sich selbst zu Hause anwenden wollen. Meinem Empfinden nach richtet sich “Selbst Heilen mit Kräutern” jedoch weniger an absolute Einsteiger in die Materie, obgleich die Autoren für die Verständlichkeit ihres Buchs kein Vorwissen voraussetzen. Nichtsdestotrotz könnten Anfänger von dem in diesem Werk konzentrierten Wissen, das zwar durch großformatige Fotografien ansprechend aufbereitet ist, leicht erschlagen werden. Denn nur selten werden - wie im Fall der Wickel - absolute Basics ausführlich erklärt und detailliert anhand von entsprechenden Abbildungen beschrieben.

 

4,5 Sterne ****

 

Allgemeine Angaben zum Buch:

  • Herausgeber: Goldmann
  • Erscheinungsdatum: 20. Dezember 2023
  • ISBN-10: 3442179920
  • ISBN-13: 978-3442179923
  • Seitenzahl: 384
  • Preis: 18 €